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Pressestimmen von Samstag, 12. Juni 2004

Gerhard M. Friese11. Juni 2004

Europawahl / Rentenbesteuerung

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Das mangelnde Interesse an der Europawahl in Deutschland und das Abstimmungsverhalten der Union im Bundesrat zum Gesetz über die Rentenbesteuerung beschäftigen an diesem Samsatg die Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Zur Europawahl schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Das Europaparlament mag als Papiertiger begonnen haben. Doch heute ist es fast zum Reißwolf mutiert, der manches Projekt von Kommission und Rat zerfetzt; und zum Leitwolf, der etwa beim Verbraucherschutz Europa voranbringt. Die Abgeordneten entscheiden bei vier Fünfteln aller EU-Normen mit. Sie prägen so mehr als die Hälfte aller deutschen, britischen oder polnischen Gesetze. Sie dürfen zwar noch keine Regierung wählen, aber sie bestätigen eine neue Kommission oder können die Superbehörde sogar nach Hause schicken. Das Parlament hätte also Aufmerksamkeit verdient."

In der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU heißt es:

"Wer sich abwendet und zu Hause bleibt, muss sich im Klaren darüber sein, dass er die Chance vergibt, dem Parlament seine Rolle zuzuweisen, die es haben sollte. Das Bild mangelnder Legitimation durch eine schwache Wahlbeteiligung bleibt zusätzlich zur nicht vorhandenen Verfassung das europapolitische Trauma."

Die AACHENER ZEITUNG fragt:

"Wenn die neue EU-Verfassung in Kraft tritt, wird dieses Parlament den Präsidenten der EU-Kommission wählen und dem hochherrschaftlichen Ministerrat bei einigen Gesetzesvorhaben kräftig auf die Füße treten können. Ist das nichts? Schließlich wird das erste EU-Parlament gewählt, das den Kalten Krieg wirklich beendet, weil Polen, Tschechen, Slowaken und andere nun auch mit von der europäischen Partie sind. Noch mal gefragt: Ist das nichts?"

Ähnlich der WIESBADENER KURIER:

"Die Zweifel an der Bedeutung der Europawahl stehen in einem geradezu grotesken Widerspruch zur wachsenden Bedeutung Europas für unser aller Alltag. In Politikbereichen wie Handel, Verbraucherrecht oder Umwelt werden inzwischen bis zu 90 Prozent aller Entscheidungen durch Verordnungen aus Brüssel oder Gesetze aus Straßburg geregelt. Und da soll die Zusammensetzung des Europaparlaments unwichtig sein?"

Ein Scheitern des Gesetzes zur Rentenbesteuerung hatte im BundesratBayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber angekündigt. Doch es kam anders. Dazu meint die HEILBRONNER STIMME:

"Das war ein typischer Stoiber: täuschen, tricksen - und im Straucheln noch ein klassisches Eigentor schießen. Doch dies war nicht nur für die Union ein Schwarzer Freitag, sondern auch für alle Jüngeren, die noch 20 und mehr Jahre maximale Zwangsbeiträge entrichten und privat vorsorgen. Sie müssen für den jetzt gewonnenen Steuernachlass kräftig zahlen. Wenn die Spätfolgen dieser Umschichtung spürbar werden, sind die verantwortlichen Verfassungsrichter und Politiker allerdings längst im Ruhestand. Selbstverständlich mit Pensionen, von denen die künftigen Rentner nur träumen können."

Die OFFENBACH-POST merkt an:

"Kommunikationspannen und Kakophonie, das schien bisher vor allem eine rot-grüne Spezialität. Doch die Union hat bei der Abstimmung zur Rentensteuer bewiesen, dass sie bei diesen politischen Untugenden durchaus mithalten kann. Edmund Stoiber hielt forsch das Blockade- Banner hoch und verkündete vorab ein Scheitern der Besteuerung der Alterseinkünfte an den Unionsländern.

Die RECKLINGHÄUSER ZEITUNG aus Marl ergänzt:

"Nun steht Stoiber als der Düpierte da, aber auch die Union insgesamt. Denn der Eindruck einer fehlenden klaren Linie, mangelnder Geschlossenheit und interner Machtkämpfe bleibt auch an der CDU und ihrer Vorsitzenden hängen."

Und der MANNHEIMER MORGEN kommentiert:

"Egal, welches Spiel CDU-Chefin Angela Merkel und ihr bayerischer CSU-Kollege Edmund Stoiber gestern beim Thema Rentenbesteuerung auf der Bühne des Bundesrates aufführen wollten, ihre Taktik ging gründlich daneben. Vor lauter strategischer Winkelzüge haben die beiden ein lupenreines Eigentor geschossen. Nun triumphiert Rot-Grün, und die Union gibt kurz vor den Europawahlen und den wichtigen Landtagswahlen in Thüringen ein trauriges Bild der Zerrissenheit ab."