1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Samstag, 11. Juni 2005

Annamaria Sigrist 10. Juni 2005

Lafontaine Linksbündnis

https://p.dw.com/p/6l7T

Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Samstag überwiegend mit dem neuen Linksbündnis angeführt von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi.

Die BERLINER ZEITUNG schreibt:

"Für die Sozialdemokraten ist das Erscheinen der Linkspartei ein Desaster. Sie ist seit der Ankündigung des Kanzlers nach Neuwahlen in völligem Aufruhr. Der Kanzler kann die Partei nicht mehr beeinflussen, und Franz Müntefering, der Parteichef, hat sie nicht mehr im Griff. Jetzt ist Oskar Lafontaine wieder zum Machtfaktor geworden. Nicht nur, weil er die Stimmen der Unzufriedenen sammeln wird sondern auch, weil die Linken innerhalb der SPD dadurch noch stärker werden, als sie es sowieso schon sind. Die Drohkulisse Lafontaine mit sechs, sieben, acht Prozent Wählerpotenzial wird Gerhard Schröder die kommenden Monate über begleiten. Er wird also eingeklemmt sein zwischen seinem Versprechen, die Agenda 2010 fortzusetzen, und den Forderungen der Linken nach mehr Klassenkampf und Millionärskritik."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nimmt vor allem Lafontaine ins Visier:

"Da gehört schon beträchtliche Verblendung dazu, übersehen zu können, dass Lafontaine nicht den vorgeschobenen, sondern hauptsächlich selbstsüchtigen Zielen folgt: einer persönlichen Rache an Schröder und der Rückkehr zu politischer Macht. Dass ein ehemaliger Parteivorsitzender nicht nur grollt, sondern seine Partei ganz verlässt und sogar offen gegen sie kämpft, macht ihn persönlich nicht glaubwürdig, erst recht nicht sympathisch. Die Bundestagswahl wird zeigen, wer Lafontaine die Rolle eines Luthers der SPD abkauft."

Der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg ergänzt:

"Nun aber, da Schröder am Boden liegt, sieht der Mann aus dem Saarland seine Stunde gekommen, alte Rechnungen zu begleichen. Und wie könnte er das besser machen, als wenn er sich mit denen zusammentut, die Schröders Agenda 2010 bekämpfen. Das Perfide ist aber, dass Oskar Lafontaine sich zusätzlich mit denen verbündet, welche die Sozialdemokraten früher als den Todfeind ansahen: mit den Erben der SED, der PDS."

In der OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock lesen wir:

"Der Hunger auf Parlamentssitze, und seien es nur die Katzentische der Opposition, war offenbar stärker als die gegenseitigen Vorurteile und unterschiedlichen Kulturen. Die allerdings spannende Frage lautet: Was wollen die Gysi, Lafontaine und Co. im Bundestag? Bisher ist die PDS vor allem als Nein-Sager in Erscheinung getreten. Nein zu Hartz IV oder zu Bundeswehreinsätzen. Das Mitregieren im Osten hat sie zudem entzaubert. Die heterogene WASG hängt den Umverteilungsidealen der 70er-Jahre an."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN konstatieren:

"Im Bündnis mit der aus den Anti-Hartz-Protesten hervorgegangenen Wahlalternative haben die Postsozialisten gute Chancen, aus der Nische einer ostdeutschen Regionalpartei herauszukommen und sich bundesweit zu etablieren. Mit Gregor Gysi und Oskar Lafontaine als Zugpferden dürfte der Weg schnurstracks in den Bundestag führen. Die Truppe, die da von den beiden schillernden Comeback-Politikern Gysi und Lafontaine angeführt wird, hat wenig im Angebot. Sie eint der Protest gegen die Ungerechtigkeit der Zeit, gegen Sozialabbau und Globalisierung. Es wird eine grundlegende Alternative vorgegaukelt, der man abschwört, sobald man selbst an den Schalthebeln sitzt. Als Regierungspartei im Land Berlin trägt die PDS brav alle Sparbeschlüsse des Senats mit. Da können die Gewerkschaften ruhig Sturm laufen. Protest hat derzeit Konjunktur. Mit dem Linksbündnis bietet sich den Wählern ein Knüppel vor allem gegen Rot-Grün an. Ein demokratischer, kein extremistischer. Insofern ist es ein Gewinn."

Abschließend meint die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven:

"Es hat schon einen gewissen Charme, dass Lafontaine ausgerechnet dem von ihm als intellektuelle Flachpfeife verachteten Westerwelle auf die Regierungsbank verhelfen könnte. Der würde dann immerhin Lafontaine und Gysi die Stichworte für deren oft durchaus vergnügliche Verbalattacken liefern. Zumindest dafür könnte das Linksbündnis gut sein. Für mehr auch nicht."