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Pressestimmen von Samstag, 10. Februar 2007

Ulrike Quast9. Februar 2007

Reaktionen auf palästinensische Einigung / Pläne für 500.000 neue Plätze in Kinderkrippen

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Die Einigung der rivalisierenden Palästinensergruppen Hamas und Fatah auf eine Einheitsregierung ist international als Schritt in die richtige Richtung begrüßt worden. Die deutsche Tagespresse ist da durchaus kritisch.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert:

"Es ist freilich unklar, wie verbindlich die Einigung zwischen Fatah und Hamas ist. Die Chance, den Bruderkampf der vergangenen Wochen zu beenden, scheint ein wenig größer zu sein. Man muss abwarten, ob die Verwirklichung des Unterzeichneten, vor allem was die personelle Besetzung des Kabinetts betrifft, in der vereinbarten Frist gelingt und ruhig vonstatten geht, ja, ob dies alles auch die Zustimmung der Basis in Gaza und im Westjordanland findet."

Die TAGESZEITUNG aus Berlin befasst sich mit der zu erwartenden Reaktion des Westens, falls der palästinensische Kompromiss hält:

"US-Regierung und Europäer werden nach der gebotenen Schamfrist und bei einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen den Boykott der palästinensischen Autonomieregierung mindestens lindern - wenn sie ihn nicht ganz aufheben. Dieser Deal dürfte bei der israelischen Regierung für Unbehagen sorgen - denn sie hat ihre Politik auf diesem Boykott aufgebaut." Soweit die TAGESZEITUNG:

"Eigentlich kann sie nicht gut gehen, die palästinensische Zwangsehe." Meint der KÖLNER STADT-ANZEIGER und fährt fort:

"Dennoch gibt es keine Alternative. Neuwahlen, bis vor kurzem die bevorzugte Option von Präsident Mahmoud Abbas, ließen sich nur gegen den erbitterten Widerstand der Hamas durchsetzen. Der Sturz der Hamas-Regierung, wäre kontraproduktiv beim Versuch, die arabische Welt von den Vorzügen der Demokratie zu überzeugen. Der Westen und Israel werden all das nicht ignorieren können, wenn sie ihre künftigen Beziehungen zur palästinensischen Autonomieführung abstecken."

Die Potsdamer MÄRKISCHE ALLGEMEINE schreibt:

"Wenn es um den oder besser um einen Teil-Frieden im Nahen Osten geht, hat die Welt gelernt, bescheiden zu sein. Allein schon die Tatsache, dass sich die Palästinenser erst einmal untereinander geeinigt haben, gilt heute als Erfolg. Dabei ist von Verhandlungen mit Israel noch nicht mal die Rede. Das blutige Austragen des Bruderzwists zwischen Hamas und Fatah hat stattdessen ein fahles Licht auf die politische Reife der Palästinenser insgesamt geworfen."

In die gleiche Kerbe schlägt der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn:

"Gewiss, das Abkommen der verfeindeten Palästinensergruppen Hamas und Fatah ist mehr als gar nichts. Und es ist bezeichnend für dessen Inhalt, dass außer in den Palästinensergebieten Euphorie nicht auszumachen ist. Vorsichtige Zuversicht bis kühle Zurückhaltung - das ist die Reaktionsskala am Tag nach der Einigung auf eine gemeinsame Regierung aus gemäßigter Fatah und radikalislamischer Hamas. Noch ist es zu früh zu bewerten, ob mit der Einigung die Forderungen nach Gewaltverzicht, die Anerkennung des Staates Israels und Einhaltung der bisher geschlossenen Verträge als erfüllt gelten können."

Themenwechsel. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie will die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder massiv ausbauen und bis spätestens 2013 in Kinderkrippen rund 500.000 zusätzliche Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen. Für die Kommentatoren ein Anlass, einen Blick auf die deutsche Familienpolitik zu werfen.

Die BERLINER MORGENPOST meint:

"Angesichts von Geburtenknick, Fachkräftemangel, Ein-Kind-Familien und Alleinerziehenden sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Eltern so früh wie möglich eine Betreuung für ihr Kind anzubieten. Wir können es uns nicht länger leisten, hoch qualifizierte Frauen und Männer jahrelang aus ihrem Beruf herauszuhalten. Konservative Politiker, die das immer noch nicht begriffen haben, leben völlig jenseits aller gesellschaftlichen Realitäten."

Die STUTTGARTER ZEITUNG resümmiert: "Von der Leyens Vorstoß ist ein Gebot praktischer Vernunft und keineswegs, wie Sachsens Kultusminister Steffen Flath kritisiert, ein Versuch, die DDR wieder auferstehen zu lassen. Weil sich die CDU viel zu lange in solchen ideologischen Schützengräben verschanzt hat, ist Deutschland europaweit immer noch Schlusslicht. Oder will tatsächlich jemand die familienpolitischen Vorbilder Frankreich oder die skandinavischen Länder mit der DDR vergleichen? Es geht nicht um Sozialismus, sondern darum, sich endlich den großen Heraus- forderungen zu stellen, die mit der unvermeidlichen demografischen Entwicklung auf Deutschland zukommen." Die Bielefelder NEUE WESTFÄLISCHE kritisiert mit Blick auf die Finanzen:

"Das altbekannte Spiel beginnt von Neuem: Familienpolitik zu Lasten der Familien. Die stetig kleiner werden Spezies soll gefälligst alle demographischen Probleme der Gesellschaft lösen. Erneut verschont würden die Profiteure der Kinderlosigkeit. Wer Familien fördern will, muss das Ehegattensplitting ersetzen durch ein Familien- splitting, bei dem das Familieneinkommen durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt wird. Das wäre nicht nur ein mutiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit, sondern auch eine Finanzierungs- grundlage für Betreuungsangebote."

Abschließend die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel:

"Eine gewisse Naivität kann manchmal gewinnend sein, vor allem in einem so zynischen Betrieb wie der Politik. Aber sie kann auch den Blick auf die Realitäten verstellen. Familienministerin Ursula von der Leyen, die große Pläne für die Betreuung von Kleinkindern in Deutschland hat, sollte sich lieber an Realitäten orientieren. Notfalls muss man das Grundgesetz ändern, damit der Bund sich an der Finanzierung beteiligen kann? Das Grundgesetz wurde gerade geändert, Frau Ministerin! Und zwar so, dass es genau solche Transaktionen verhindert. Ob beim Rauchverbot oder bei der Kinderbetreuung - der Bund wurde durch die Föderalismusreform ausgebootet. Es grenzt an Volksverdummung, das zu ignorieren."