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Pressestimmen von Samstag, 07.Februar 2004

zusammengestellt von Helmut Schmitz6. Februar 2004

Schröder - Rücktritt

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Herausragendes Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Samstag die Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei abzugeben.

DIE WELT schreibt:

'Es gibt nichts zu deuteln: Gerhard Schröders Rücktritt vom Amt des SPD-Parteivorsitzenden ist die Aufgabe eines entscheidenden Stücks seiner Macht; ist ein Ausdruck von Schwäche und womöglich der Anfang vom Ende seiner Kanzlerschaft – auch wenn dieser Schritt als Befreiungsschlag wirken sollte. Sicher, der Kanzler hat sich noch einmal zu seinem Reformkurs bekannt und die immer schwieriger werdende Vermittlung in die eigenen Reihen an seinen Fraktionschef Franz Müntefering abgetreten. Aber von einer notwendigen Aufgabenverteilung zu sprechen ist doch reichlich scheinheilig. Denn es bleibt ein Regierungschef mit einem Kabinett zurück, in dem kaum
noch einer der SPD-Vertreter glaubhaft für Schröders Erneuerung stehen kann. Ihm gegenüber aber steht künftig ein Partei- und Fraktionschef mit einer einzigartigen Machtbündelung.'

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt meint:

'Es ist das Ende eines Missverständnisses; des Missverständnisses, dass der Kanzler auch die Fähigkeiten besäße, seiner Partei Wege zu weisen in Positionen, in denen die Moderne sich vereinigen kann mit dem sozialen Impetus der alten Sozialdemokratie. Er konnte es nicht und die Frage bleibt, ob er das je wollte; Visionen sind seine Sache nicht. Den Parteivorsitz brauchte er, als er Oskar Lafontaine aus dem Geschäft gedrängt hatte, zum internen Machterhalt. Das hat funktioniert; zur Entwicklung einer tieferen, auch emotionalen Bindung zwischen Partei und Vorsitzendem hat es nicht gereicht.'

In der BERLINER ZEITUNG heißt es:

'Wer sich erinnert, mit welcher Macht Gerhard Schröder im Jahr 1999 das Amt dem damaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine genommen hat, der muss den gestrigen Tag als einen Tag der Ohnmacht interpretieren. Schröder ist als Parteivorsitzender gescheitert. Er gibt das Amt nicht ab, er tritt zurück. Möglicherweise noch nicht einmal freiwillig. Wäre er nie Parteivorsitzender gewesen, hätte man dies womöglich nicht als Nachteil empfunden. Doch es gibt - wie es eben so ist im Leben - kein Zurück. Jedenfalls nicht ohne Folgen. Doch genau das wollen Schröder und Müntefering glauben machen. Dass alles so weitergehen kann wie bisher, dass man nur eben einen an der Spitze braucht, der ein bisschen mehr Zeit hat für die Pflege der Parteibasis. Doch so wird es nicht sein.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München bemerkt:

'Die SPD braucht keine neue Perücke, sondern eine klare Perspektive. Die Krise der Partei ist keine personelle, sondern eine inhaltliche. An dieser Krise ändert der Wechsel an der Spitze nichts. Im Gegenteil, er diskreditiert den so genannten Reformkurs. Wenn dieser Kurs richtig ist und deshalb beibehalten werden soll, dann wird er mit dem Wechsel im Parteivorsitz geschwächt. Die Idee mag sein, dass Franz Müntefering als Parteichef in eine sanfte Konfrontation zur Regierung gehen und so die Partei befrieden kann. Das wird nicht funktionieren. Man kann diese Regierung nicht stärken indem man sie schwächt.'

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin kommentiert:

'Gerhard Schröder hat sich zu einem verwegenen Befreiungsschlag entschlossen. Verwegen, weil der Bundeskanzler mit der "Operation Verzicht" eigene Grenzen einräumt. Das passt nicht nur schlecht zu Schröder; es kann auch leicht gefährlich werden, wenn ein Regierungschef auf einmal weniger ist, als er vorher war. Verwegen, und deshalb doch wie ein 'typischer Schröder', wirkt diese Entscheidung aber auch, weil der Bundeskanzler zeigt, dass er wieder einmal bereit ist, alles auf eine Karte zu setzen - und sich dadurch Aussichten auf einen Schritt nach vorn zu öffnen.'

Abschließend das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin:

'Die SPD-Spitze hat die Notbremse gezogen - kurz vorm Abtauchen in die 20 Prozent. Der Generalsekretär muss gehen, der Bundeskanzler gibt den Parteivorsitz ab, den er noch im Herbst als größten Stolz seines Lebens abgefeiert hat. Was Schröder und Müntefering als wohl geplanten Schritt verkaufen, ist pure Panik. Die Wut der Wähler schlägt voll ins Willy-Brandt-Haus durch. Vor allem an Olaf Scholz reagiert sich jener Unmut ab, der eigentlich dem Kanzler gilt. Nur hat sich an den bisher keiner herangetraut.'