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Pressestimmen von Montag, 9. Oktober 2006

Frank Wörner8. Oktober 2006

Morde an Journalisten / Krise der Großen Koalition

https://p.dw.com/p/9E02

Die Krise der Großen Koalition und die Morde an zwei freien Mitarbeitern der Deutschen Welle in Afghanistan sowie an einer regierungskritischen russischen Journalistin stehen im Mittelpunkt der Kommentare in der deutschen Tagespresse.

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock schreibt dazu:

'Als an diesem Wochenende im normannischen Bayeux ein Denkmal für 2000 getötete Journalisten eingeweiht wurde, überschatteten die Todesnachrichten der in Afghanistan und Russland ermordeten Reporter die Zeremonie. 'Risiko - das ist ein Teil dieses Berufes', hatte die russische Journalistin Anna Politkowskaja einmal gesagt. Sie hat sich nicht abschrecken lassen - auch von Todesdrohungen nicht. Sie schrieb über Menschenrechtsverletzungen in Russland, über den Krieg in Tschetschenien. Sie wollte die Wahrheit erzählen. Der Journalismus ist heute gefährlicher denn je. Besonders in Krisengebieten wie Afghanistan oder dem Irak. Aber auch in einem Land wie Russland, das wirtschaftlich und politisch nach Westen strebt, ist das Risiko hoch.'

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU sieht Parallelen zwischen beiden Fällen:

'Der Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja und der an zwei Mitarbeitern der Deutschen Welle in Afghanistan haben nicht allzu viel gemeinsam - aber eines doch: Alle drei Opfer sind wohl gestorben, weil sie den freien, den ungehinderten Zugang zu Informationen suchten und diese verbreiten wollten. Drei Namen, die bald auf dem Denkmal in Bayeux nachgetragen werden müssen. Einem Denkmal, das nur vermeintlich auf für Journalisten sicherem Gebiet steht. Wenn es schon so weit kommt, dass publizistischer Mut als Mangel an Vorsicht denunziert wird - dann ist auch Westeuropa längst auf die schiefe Bahn zur Presse-Unfreiheit geraten.'

Ähnlich äußert sich die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld:

'Der Tod der russischen Journalistin Anna Politkowskaja und der von zwei deutschen Reportern in Afghanistan haben nicht unmittelbar miteinander zu tun, indirekt aber eine ganze Menge. Auch in dem Land am Hindukusch geht es darum, zu berichten, was tatsächlich geschieht, und nicht, was die offizielle Propaganda gern hätte. Es geht darum, Informationen aus erster Hand zu beschaffen und ein ungeschminktes Bild der Welt zu zeichnen.'

Die TAZ aus Berlin konzentriert sich auf den Mord an der russischen Journalistin:

'Die Angst vor Vergeltung sitzt tief in Russland: Niemand lehnt sich mehr aus dem Fenster, man schaut weg und verfällt in Gleichgültigkeit. Mit Politkowskaja ist das andere, das moralische Russland nun endgültig gestorben.'

Die in Berlin erscheinende Zeitung DIE WELT meint:

'Sie hätte gewarnt sein müssen. Morddrohungen bekam Anna Politkowskaja seit Langem. Mehrere Kollegen der Zeitung Nowaja Gaseta waren bereits ums Leben gekommen. Wen schreckt dieses kleine, der Wahrheit verpflichtete Blatt im großen, souveränen Russland so sehr? Eine Frage, die auch Wladimir Putin gestellt werden sollte. Denn Mord ist die schlimmste Form der Unterdrückung der Medienfreiheit.'

Zur Krise der Großen Koalition äußern sich die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

'Statt sich aufs mühsame Geschäft der Reformen zu konzentrieren, schmilzt nach der einen großen Reform der kleine Vorrat gemeinsamen guten Willens wie Schnee in der Sonne. Kein Zweifel, diese Koalition ist krank. Wo SPD-Fraktionschef Struck der Kanzlerin fehlende Durchsetzungskraft vorwirft und sein Parteichef, statt zu schlichten, der Union neue Machtkämpfe voraussagt, kann von einem gedeihlichen Arbeitsklima keine Rede mehr sein. Mag das Staatsschiff schlingern - jeder denkt an sich zuerst.'

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz sieht das Regierungsbündnis nicht akut gefährdert:

'SPD-Chef Beck weiß genau, dass es derzeit zur Großen Koalition keine Alternative gibt, dass ohne die Union bei der Überarbeitung von Hartz IV, beim Thema Kombi- und Mindestlohn, der Neuordnung bei der Unternehmens- und Erbschaftssteuer wie auch beim Rentengesetz nichts gehen wird. Genau dafür haben die Wähler nämlich die beiden Parteikolosse auf Zeit zusammengespannt. Diese Arbeit muss erledigt werden, das geht nur miteinander. Sein Urteil, die Union regiere ungeübt, ist deshalb eine unmissverständliche Botschaft an seine Unionskollegen in den Ländern, die Finger von der eigenen Kanzlerin zu lassen. Vorerst zumindest!'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg meint:

'Das heimlich-unheimliche Aufbegehren von Unions-Fürsten gegen die Kanzlerin jedenfalls entpuppt sich mehr und mehr als Sturm im Wasserglas. Das aber hat weniger mit der Durchsetzungskraft von Angela Merkel zu tun, sondern mit der schlichten Einsicht, dass ein Ende der Gesundheitsreform wohl auch bald das Ende der Koalition in Berlin nach sich zöge. Aber was käme dann? Entweder ein rot-gelb-grünes Experiment unter einem Kanzler Kurt Beck oder Neuwahlen. Beides keine Alternativen für die machtbewusste Union.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU beobachtet eine gewisse Ratlosigkeit bei der Kanzlerin:

'Angela Merkel macht im Moment den Eindruck als wisse sie auch nicht so recht, wie Union und Sozialdemokraten wieder zu einer arbeitsfähigen Koalition zusammenfinden könnten. Sie weiß, dass hier keine Machtworte helfen. So tut sie das einzig Mögliche: Sie wartet ab.'

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schließlich sieht in den Koalitions-Querelen keine echte Krise:

'Was Union und SPD jeweils tun wollen, können sie nicht tun, und was sie tun können, wollen sie aus Rücksicht auf die Parteitaktik nicht tun. Worauf immer sie sich verständigen, muss intern für Krach sorgen, und das heißt im Umkehrschluss: Wollen sie intern ein wenig Ruhe haben, müssen sie einen Koalitionskrach vom Zaun brechen. Das deutet nicht auf den nahenden Bruch des Regierungsbündnisses hin. Es nervt nur kolossal.'