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Pressestimmen von Montag, 9. Mai 2005

Martin Muno 8. Mai 2005

Gedenkfeiern zum 8. Mai / Im Blickpunkt der Leitartikler stehen die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges.

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Dazu schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Es gibt heute einen sehr breiten Konsens, wie jener 8. Mai 1945 zu interpretieren ist. Die Mehrzahl der damals lebenden Deutschen empfand ihn als Tag der Niederlage, als den Zusammenbruch privater und staatlicher Existenz. Gleichzeitig aber befreite er Deutschland und die Welt von der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus, einer spezifisch deutschen Ideologie. Je länger die Nachkriegszeit dauerte, desto stärker wurde die Wahrnehmung, durch die Niederlage befreit worden zu sein."

Ähnlich sieht es das STRAUBINGER TAGBLATT:

"Der 8. Mai ist beides - Ende und Anfang in einem, Tag der tiefen Schuld und der Scham, aber auch der aufrichtigen Freude, dass dem absoluten Tiefstpunkt der Geschichte eine einzigartige demokratische Erfolgsstory und die Aussöhnung mit allen Nachbarn folgte. So geht von diesem 8. Mai ein ermutigendes Signal aus: 60 Jahre nach dem Kriegsende ist die Zeit endlich reif dafür, dass die deutsche Bevölkerung diesen Tag in seiner ganzen Ambivalenz und Schwierigkeit annimmt und ihn mit neuem Leben erfüllt."

Die STUTTGARTER ZEITUNG geht auf die Rede von Bundespräsident Horst Köhler ein und bemerkt:

"Wie bei seinen Besuchen in Polen und Israel ließ er keinen Zweifel daran, dass es einen Schlussstrich nie geben kann und darf. Zugleich aber hat er sensibel und mit viel Empathie den Blick auf alle Schicksale gelenkt, die als Folge der Nazityrannei erlitten wurden. Köhler lässt an keiner Stelle die schreckliche Einzigartigkeit des Holocaust vergessen und schafft es doch, auch an das Leid der deutschen Vertriebenen wie an das der osteuropäischen Völker nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern."

Das sieht die FRANKFURTER RUNDSCHAU jedoch ganz anders:

"Heikel (...) ist die Art und Weise, in der Köhler die vermeintliche Enttabuisierung des Leids der Deutschen aufgegriffen hat. Das Tabu ist zur Hälfte ein Mythos. Es ist schlicht historisch falsch, dass das Elend, das dies Land auch über sich selbst gebracht hat, nach dem Krieg nicht zu Worte kam. Der Verlust der Ostgebiete, die Katastrophe der Vertreibung, die Verwüstung der Städte, die Rache der Sieger all das war sehr wohl präsent. Es war aber kontaminiert durch das parallele Beschweigen und Verdrängen der Schuld- und Täterfrage, aus dem es erst durch den Aufklärungswillen einer jüngeren Generation befreit wurde."

Auch die FRANKFURTER NEUE PRESSE mahnt:

"Der Bundespräsident hat Recht: Wir dürfen auch um die deutschen Opfer des Krieges trauern. Aber wir dürfen nicht vergessen, was am Anfang all dieser Kämpfe, Bombennächte und Vertreibungen stand: 'das krankhafte Ungeheuer, Nationalsozialismus genannt'."

Der in Bonn herausgegebene GENERAL-ANZEIGER schreibt mit Blick auf die Veranstaltungen rund um das Brandenbruger Tor:

"Es war richtig, den Tag als Tag der Demokratie zu begehen - beim Blick in die Vergangenheit mit Dankbarkeit, beim Blick in die Zukunft mit Zuversicht und der Entschlossenheit, sie zu bewahren. Wer hätte denn vor 60 Jahren zu hoffen gewagt, dass Deutschland schon wenige Jahrzehnte später ein geachtetes Mitglied der Völkerfamilie sein würde? Ohne dass auch nur ein Quäntchen der Vergangenheit vergessen oder gar ein 'Schlussstrich' gezogen werden dürfte, hat dieses Land heute Grund zum Selbstbewusstsein."

Zum Schluss ein Blick in die HEILBRONNER STIMME: "Vielleicht bedurfte es erst der Drohung der Rechtsextremisten, diesen Tag für sich und ihre krude geschichtsvergessene Ideologie anzueignen, um die Zivilgesellschaft, das mündige Bürgertum, alle demokratischen Kräfte aufzurütteln und ihre scheue Zurückhaltung aufzugeben. Den Neonazis und ihren geistigen Brandstiftern durften weder der 8. Mai noch das Brandenburger Tor überlassen werden. Und so gehen nicht Bilder von Glatzköpfen in Springerstiefeln vor dem Brandenburger Tor um die Welt, sondern Bilder einer friedlichen und friedfertigen Gesellschaft."