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Pressestimmen von Montag, 9. August 2004

Christina Pannhausen8. August 2004

Oskar Lafontaines Kritik / Proteste gegen Hartz IV / Streit um Rechtschreibreform

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Im Blickpunkt der Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen steht an diesem Montag die Kritik Oskar Lafontaines am Kurs der Bundesregierung und der Sozialdemokratie. Daneben fanden auch die Proteste gegen die Arbeitsmarktreformen besondere Beachtung sowie der jüngste Streit um die Rechtschreibreform.

Zu der Kritik Oskar Lafontaines an der Bundesregierung meint das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

"Den Napoleon von der Saar hält es nicht länger am Ort der selbst gewählten Verbannung: Oskar Lafontaine will die Republik noch einmal aufrollen und schließt dabei nicht mehr aus, sich an die Spitze des neuen Bündnisses links der Sozialdemokratie zu setzen. Unter seiner Führung könnte die 'Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit' bei der Bundestagswahl 2006 zu einer ernsten Bedrohung für die SPD werden."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt:

"Eigentlich braucht ihn (Lafontaine) die SPD gerade jetzt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Hartz-IV-Reform die Zahl der Arbeitslosen senken wird. Es wird Aufgabe der SPD bleiben, der PDS nicht das Feld zu überlassen; schon gar muss die SPD verhindern, dass die PDS in irgendeinem Bundesland stärkste Partei wird. Dafür ist die SPD jetzt jedoch personell schlecht aufgestellt. Irgendjemand müsste mit Lafontaine reden - von Sozialdemokrat zu Sozialdemokrat."

Der MANNHEIMER MORGEN richtet sein Augenmerk auf Lafontaines möglichem Engagement in einer linken Alternative zu den Sozialdemokraten:

"Anders lautenden Aussagen zum Trotz dürfte sich die Begeisterung der Initiatoren über Lafontaine in Grenzen halten. Der verschafft ihnen zwar Aufmerksamkeit. Zum Teamspieler taugt der Egomane jedoch nicht. Sobald es ernst wird, macht er sich schnell vom Acker. Und wer wissen will, wie effektiv Lafontaine als Wahlkampf-Zugpferd ist, kann nun an der Saar nachfragen."

Themenwechsel: Die Ankündigung regelmäßiger "Montagsdemonstrationen" in Ostdeutschland gegen die Arbeitsmarktreformen beschäftigt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt:

"Nun mag man Clements Zorn ja verstehen - welcher Politiker hätte es schon gern, Montag für Montag 'von der Straße' lautstark des Sozialabbaus und der Ungerechtigkeit geziehen zu werden? Aber der Wahrheit Willen sei doch zunächst einmal festgestellt: Diejenigen, die 1989 in der DDR mit großem Mut auf die Straße gegangen sind, haben dies nicht getan, um 15 Jahre später Hartz IV ausgeliefert zu werden. Und darüberhinaus haben sie sich mit ihren Demonstrationen nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihre bürgerlichen Rechte erkämpft - inklusive dem Recht, zu demonstrieren; wo, wann und wogegen oder wofür sie wollen. Und wenn sie wollen, auch montags, gegen Hartz und Clement."

Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel hält dagegen:

"Die Anti-Hartz-Kundgebungen in Ostdeutschland sollen an die Tradition der Montags-Demos des Wendeherbstes 1989 anknüpfen. Ein ziemlich schräger Vergleich. Und ein ungehöriger dazu. Denn damals gingen die Demonstranten für Freiheitsrechte und gegen Willkürherrschaft auf die Straße; jetzt nehmen sie sich genau diese Freiheit, um gegen demokratisch zu Stande gekommene Gesetze zu protestieren. Hier heute eine Analogie zu ziehen, ist ein Schlag ins Gesicht der Bürgerrechtler von damals."

Abschließend analysiert die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt den Streit um die Rechtschreibreform im Verhältnis zu den Protesten gegen die Arbeitsmarktreformen:

"Da draußen - in Deutschland - gibt es zwei Welten: die wirkliche von Hartz IV und die virtuelle der Rechtschreibreform. Und würde in den Redaktionsstuben von Hamburg bis München für den arbeitslosen fünfzigjährigen Ingenieur im Osten mit gleichem Einsatz gestritten wie für das Recht, Schiffahrt mit zwei ff und Fetttropfen mit drei ttt zu schreiben, hätte der Mann echte Chancen. Doch damit ist nicht zu rechnen. Sicher ist vieles von dem, was täglich an Schlechtem von der Sozialbaustelle dringt, übertrieben. Aber genau so sicher ist, dass vieles von dem, was auf die Menschen zukommt, erst nach und nach an Konturen gewinnt. Da mag Wirtschaftsminister Clement noch so barsch reagieren, den Nachweis, dass er nicht nur fordern, sondern auch fördern kann, muss er im Osten erst erbringen."