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Pressestimmen von Montag, 6. Februar 2006

Herbert Peckmann5. Februar 2006

Atompoltik des Iran in der Kritik/ Streit um Mohammed-Karikaturen eskaliert

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Bundeskanzlerin Merkel hat die iranische Regierung ungewöhnlich scharf angegriffen und die Bedrohung durch Teheran mit dem Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland verglichen. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz forderte sie am Wochenende eine harte Haltung des Westens im Atomstreit mit Teheran. Dies ist auch Kommentarthema in den deutschen Tageszeitungen.

Die Zeitung DIE WELT schreibt:

"Die Kanzlerin will aus dem gescheiterten Appeasement der dreißiger Jahre die Lehre ziehen, wie dem iranischen Atomstreben zu begegnen sei. Und niemand sollte meinen, dieser Rekurs sei einer Laune des Moments entsprungen oder einer billigen Gefallsucht vor dem amerikanisch dominiertem Publikum einer Sicherheitskonferenz. ... Anders als ihre Vorgänger stellt die Kanzlerin sich in eine Logik, nach der sie nicht nur ernst nimmt, sondern eines Tages auch ernst macht."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt meint:

"Dies war kein Plädoyer Angela Merkels für eine militärische Lösung des Konflikts. Auch keine Ankündigung deutscher Beteiligung an einem etwaigen Kommandounternehmen. Aber es war der sichtbare Hinweis an die iranische Regierung, den Bogen nicht zu überspannen."

Ein geschlossenes Vorgehen in dem Atomkonflikt fordert der KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Wenn es überhaupt noch möglich ist, die Führung in Teheran zur Vernunft zu bringen, dann durch Geschlossenheit, die unmissverständlich signalisiert, dass der Rest der Welt den Aufstieg Irans zur Atommacht schlicht und einfach nicht zulassen wird. ... In letzter Konsequenz ist ein Mandat für militärische Aktionen unvermeidbar. Das Blatt wenden kann nur die iranische Führung selbst."

Der HANDELSBLATT-Kommentator (Düsseldorf) fühlt sich erinnert an die die Frühphase des Irakkonfliktes. Zitat:

"(Es) droht die ideologische Überhöhung eines eigentlich sehr rational zu führenden Streits über die Grenzen der Nutzung von Kernenergie die Eskalation noch zu beschleunigen. Und sie nutzt den Hetzern auf der anderen Seite. Denn auch diese würden gerne den Atomstreit in den Kontext eines generellen Abwehrkampfes gegen den Westen stellen ... ."

Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert:

"Neben der momentanen Einigkeit, die, zugegeben, einen harten Test noch nicht zu bestehen hatte, fällt noch etwas anderes auf: die Entschiedenheit der Bundesregierung. Sie ist es leid, für dumm verkauft zu werden. ... Die Frage ist nun, was geschieht, wenn Iran weiter die Konfrontation suchen und noch anheizen sollte. Dann wird sich vieles bewähren müssen: die wiederentdeckte amerikanisch-europäische Partnerschaft, die europäische Festigkeit, die globale Verantwortung Chinas und Rußlands. Dort, in Moskau, liegt ein Schlüssel zur Entschärfung des Konflikts", meint die FAZ.

Themenwechsel. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen droht zu einer ernsten Krise zwischen dem Westen und der islamischen Welt zu eskalieren. In Damaskus und Beirut zündeten wütende Massen diplomatische Vertretungen Dänemarks und Norwegens an. Dazu meint die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

"Es ist eine Gefühlsmischung aus Angst, Wut und Ohnmacht, die in einem aufsteigt, wenn man sich die völlig unverhältnismäßigen Hass-Aktionen in vielen islamischen Ländern gegen unsere Lebenskultur betrachtet. Allzu leicht erliegt man der Versuchung, sich von den hässlichen Bildern brennender Fahnen und Botschaften selbst radikalisieren zu lassen, statt souverän zu bleiben. Dabei ist in einem 'Kampf der Kulturen' nur der überlegen, der erst einmal überlegt."

Der WIESBADENER KURIER sieht die Schuldigen unter anderem in Syrien. Das Blatt schreibt:

"Bei genauem Hinsehen zeigt sich ..., dass die Wut der Frommen besonders wirksam von durchaus unfrommen Diktatoren geschürt wird. Die Verwüstung der skandinavischen Botschaften in Damaskus ist in einem Polizeistaat übelster Sorte wie Syrien schlicht undenkbar, wenn das Regime nicht duldend oder gar steuernd dahinter steckt."

Auch die Münchener ABENDZEITUNG hält die Wut für geschürt. Dort heißt es:

"(Die) Empfindungen (werden) missbraucht und instrumentalisiert von allerlei Gruppen, die frohlockend ihr eigenes Süppchen kochen. Sei es die regierende syrische Baath-Partei: Sozialisten, die mit Religion nichts am Hut haben, aber froh sind, wenn die Untertanen mal auf jemand anders wütend sind. Oder seien es die Islamisten, denen jedes Mittel recht ist, sich Zulauf zu verschaffen. Und genau sie sind es, die den 'Kampf der Kulturen' ganz bewusst schüren wollen."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg sieht auch die westliche Presse in der Verantwortung:

" ... Gerade im Blick auf all die Unfreien sollte die freie Welt mit den Errungenschaften ihrer Freiheit, auch denen der Meinungs- und Pressefreiheit, sehr verantwortungsvoll umgehen. So hätten sich all die Zeitungen in Europa den provozierenden Nachdruck der Mohammed- Karikaturen sparen können ... An der - gottlob! - tief verankerten Pressefreiheit in den westlichen Demokratien hätte auch ohne diese Solidaritätsaktion für die dänischen Kollegen gewiss niemand gezweifelt."

Eine allgemeine Atempause in dem Streit fordert schließlich die Berliner Tageszeitung TAZ:

"Angesichts der eskalierenden Proteste in vielen islamischen Ländern, deren Höhepunkt scheinbar noch nicht erreicht ist, bleibt zunächst nur der Appell zur Mäßigung. Mein Vorschlag: drei Schritte zurück, tief Luft holen und drei Tage nicht provozieren und eskalieren, sondern einfach schweigen - auch wenn es schwer fällt. Danach stellen wir uns vielleicht weniger aufgeregt und erzürnt erneut der Auseinandersetzung."