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Pressestimmen von Montag, 5. September 2004

zusammengestellt von Gerd Winkelmann5. September 2004

Peter Müllers Wahlsieg / Russlands Trauer

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Im Kaukasus sind die ersten Toten des Geisel-Dramas beerdigt. Trauer- Prozessionen zogen durch die nord-ossetische Stadt Beslan. Die deutschen Tageszeitungen analysieren an diesem Montag die politischen Folgen des Terrors in Russland. Doch zunächst ein Blick auf die Kommentare zu Peter Müllers CDU-Wahlsieg im Saarland:

Die Tageszeitung DIE WELT schreibt:

'Da kann der Kanzler Kurs halten, wie er will; die CDU tut es auch: Sie eilt von Sieg zu Sieg. Natürlich liegt das an den Hartz- Protesten, denen die Stirn zu bieten dem Kanzler einen Eintrag im Geschichtsbuch sichert, seiner Partei jedoch eine Schlappe nach der anderen. Weder hat der Saar-SPD ein unberechenbarer Antikandidat noch die selbst gewählte Distanz zu Berlin genutzt. Doch macht es sich zu einfach, wer Oskar Lafontaine allein die Schuld an der Niederlage gibt. Oder dem Spitzenkandidaten Heiko Maas, der naiv glaubte, der Ex-SPD-Chef werde ihm treu die Stimmen der vom Kanzler Enttäuschten zutreiben.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU analysiert:

'Die Menschen fliehen die SPD, und sie stieben in alle Richtungen. In die Verweigerung, zu Grünen und Freidemokraten... Selbst die Ekelschwelle, die anständige Bürger vom Kreuz für die NPD abhält, ist gefährlich gesunken. Ein schlimmes Omen für die beiden Landtagswahlen im deutschen Osten in vierzehn Tagen. Vordergründig kennt diese Wahl im Saarland nur einen Verlierer: die SPD. Doch die Freude der Gewinner wird überschattet von einer Ahnung, dass sie vielleicht einen bitteren Sieg feiern. Weil jede Stimme für Rechtsaußen, abgegeben aus Protest, Verzweiflung oder Verunsicherung, eine Einbuße an politischer Kultur bedeutet.'

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

'Abermals erlebten die Sozialdemokraten einen politischen Erdrutsch. Zwar war auch dieser vorausgesagt worden, aber wenn, wie am Sonntag an der Saar, zweistellige Verluste Wirklichkeit werden, entfalten sie eigene Wucht. Nun steht der Name Heiko Maas für ein Fiasko; unter seiner politischen Führung hat sich das lange sozialdemokratisch regierte Saarland zu einer Region mit ausgeprägter SPD-Antipathie gewandelt. Das hat gewiss viel mit der Bundespolitik zu tun: der Groll der Bürger über die spät begonnene und handwerklich oft unzulängliche Reformpolitik von Kanzler Gerhard Schröder brachte die Menschen auch an der Saar gegen die Sozialdemokraten auf. Aber die Niederlage hat sich Heiko Maas auch selbst zuzuschreiben (...).'

Der Kommentator im NEUEN DEUTSCHLAND richtet den Blick nach Russland:

'Beslan ist so nicht nur Beweis für einen inzwischen alle Grenzen sprengenden Terrorismus, es steht auch symbolisch für das Scheitern der Putinschen Politik der harten Hand. So schwer es angesichts der hunderten Toten auch fallen mag - ohne Rückkehr zum Verhandlungs- Tisch, ohne ein tragfähiges politisches Konzept für die Region, ohne wirtschaftlichen Wiederaufbau und damit eine lebenswerte Perspektive für die Tschetschenen im russischen Vielvölkerstaat werden andere Beslans folgen.'

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT schreibt zum selben Thema:

'Zwar kann man mit Geiselnehmern und islamischen Fanatikern nicht verhandeln. Aber Putin könnte zumindest versuchen, die Mehrheit der Tschetschenen für sich zu gewinnen. Bisher jedoch hat er ihnen noch nicht einmal die Freiheit gegeben, sich einen Republik-Präsidenten ihrer Wahl auszusuchen. Dabei hat die Mehrheit der Tschetschenen schon lange kein Interesse mehr an weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Russland. Nichtsdestoweniger stößt die Vormundschaft durch Moskau im Land auf einhellige Ablehnung. Mit der Farce weitgehend gefälschter Wahlen hat sich Putin zur Geisel seiner eigenen Politik gemacht: Er bleibt in Tschetschenien angewiesen auf Kreml-Loyalisten, die über keinerlei Verankerung in der Bevölkerung verfügen.'

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN beleuchten die Folgen für Deutschland:

'Knapp zwei Drittel der Bundesbürger, so ergab eine Umfrage, fürchten auch hier zu Lande Anschläge. Dabei ist es durchaus möglich, dass die Bundesrepublik vom Hinterland der Terror-Brigaden zu ihrem Zielgebiet wird. Hiesige Geheimdienste haben Grund zur Wachsamkeit, die Politik wäre zugleich gut beraten, die rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Gefahr auszuweiten. Und der Normalbürger? Er sollte den Risiken mit Gelassenheit begegnen. Ziel der immer skrupelloser agierenden Mordbanden ist es ja gerade, Furcht zu schüren. Wenn die Welt dem Terror entgegentreten will, darf sie sich nicht von Angst zermürben lassen.'