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Pressestimmen von Montag, 4. Dezember 2006

Gerhard M Friese3. Dezember 2006
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Der Bundesparteitag der Grünen steht - ein Jahr nach dem Ende der rot-grünen Bundesregierung - im Mittelpunkt der Kommentare deutscher Tageszeitungen. Besonderes Augenmerk richten die Kommentatoren dabei auf eine mögliche Koalitionsfähigkeit der Partei.

So schreiben die WESTLÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster:

"Ein Jahr nach dem Machtverlust im Bund hat die Ökopartei offensichtlich realisiert, dass sie endgültig in der Opposition angekommen ist. Von der Machtfrage will sie aber gleichwohl nicht lassen. Die Partei ohne ihre Kultfigur Joschka Fischer steckt zweifellos im Umbruch. Der Parteitag am Wochenende in Köln diente der Kurs- und Standortbestimmung: Es gilt, das grüne Profil zu schärfen, dabei aber politisch koalitionsfähig zu bleiben und vor allem breite Wählerschichten nicht zu verschrecken."

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:

"Als realistische Alternative zur großen Koalition drängt sich derzeit vor allem ein Dreierbündnis auf. Damit werden die Grünen zu umworbenen künftigen Partnern. Und sie haben ihrerseits durchaus kein Interesse, potenzielle Bewerber abzuschrecken. Auch nicht die FDP, die ja der notwendige zweite Juniorpartner wäre... Dagegen spricht auch nicht das demonstrative Festhalten am Nein zu einem Aufweichen des Atomausstiegs. Das wird die Morgengabe aller Interessenten an den möglichen neuen Bündnispartner sein müssen."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth merkt an:

"Ja, es gibt eine Zeit nach Joschka Fischer, aber die Grünen verbringen sie mittlerweile in allen Parlamenten in Bund und Ländern auf harten Oppositionsbänken. Die darin liegende Chance einer Erneuerung wollen die Grünen nun ergreifen... Die Grünen wissen, dass ihre Chance kommen wird. Wenn die große Koalition am Ende ist, also spätestens 2009, werden sie sowohl von SPD, also auch von der Union umworben werden. Vielleicht kann die grüne Braut sich ihre(n) Partner dann sogar aussuchen."

In der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG heißt es:

"Für die SPD waren die Grünen nie etwas anderes als die Kellner- Partei. Für Union und FDP spielen die Grünen allenfalls eine Rolle als Kaltmamsell in einer denkbaren Regierung. Wollen die Grünen mehr, dann müssen sie an zwei Baustellen gleichzeitig graben: Rückbesinnung auf die alten Stärken und den Wettlauf mit der FDP um Platz drei gewinnen. Der Öko-Markenkern ist eine gute Basis, weil jeden Bürger ein komisches Gefühl beschleicht, wenn er im Dezember draußen im Straßencafé sitzen kann. Es sollte den Grünen leicht fallen, sympathischer als Westerwelle und Co. zu agieren. Aber ohne eindrucksvolle Führung wird es kaum gelingen, stärker als die FDP zu werden. Und nur das entscheidet am Ende darüber, ob man den Grünen nur zuhört oder ob man sie auch braucht. "

Die Essener NEUE RUHR/ NEUE RHEIN ZEITUNG meint dagegen:

"Die Grünen sind im Bund und in allen Ländern in der Opposition. Sie sollten es als Chance sehen. Ideenreicher, farbiger, frecher sollten sie sein, radikaler, nicht im knüppelschwingenden Sinne, sondern: in der Sache unbeirrt, konsequent, kompromisslos. Die Fokussierung auf den Klimaschutz ist richtig. Aber die Herausforderung haben längst alle Parteien erkannt. Um sich von ihnen abzuheben, müssen die Grünen mehr Perspektive, mehr Dramatik, Leidenschaft aufbringen. Den Grünen fehlt ein Al Gore. Man ertappt sich bei der Frage, wie weit er bei ihnen kommen würde. Wir haben da einen Verdacht: Sie sind nicht in der Opposition angekommen."

Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle schlägt in die gleiche Kerbe:

"Nachdem diese Partei Zug um Zug in vielen Wahlen aus der Bahn des Mitregierens geschleudert worden ist, sammelt sie sich nun im Wartesaal der Macht, ist sich aber untereinander uneins, wohin die Weiterreise eigentlich gehen soll. Indem die Grünen trotzig behaupten, sie seien als Oppositionspartei unverbesserlich gut, indem sie Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien systematisch herunterspielen, zementieren sie ihren jetzigen Status. Machen die Grünen so weiter, muss womöglich die Große Koalition über 2009 hinaus weitermachen."

Ähnlich die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

"In Gedanken sind sie immer noch in der Regierung, in der Erfahrungswelt der Drei-Liter-Dienstlimousinen. Jemand muss den Grünen sagen, dass die Jahre zwischen Wahlen nicht verloren, keine Wartezeit sind. Die Debatte über Schwarz-Grün dient nur dem Zweck, die Zeit bis 2009 zu überbrücken, um die eigene Basis auf die Option einzustimmen. Offenbar geht es nur darum, am Wunderwürfel zu drehen, bis sich die Farben zur Machtkonstellation fügen: Rot-Grün, Schwarz- Grün, Ampel, Jamaika. Hauptsache Regieren? Nein, Opposition ist nicht Mist."

Die in Freiburg erscheinende BADISCHE ZEITUNG formuliert:

"Keine Frage: Ein Teil der Grünen richtete sich am liebsten wieder in verlorengeglaubter Oppositionsseligkeit ein. Derweil will der andere Teil möglichst rasch zurück zur Macht. Nun mag die Sehnsucht nach Ministersesseln allerlei politische Farbspielereien erklären. Stillen lassen wird sie sich letztlich nur mit überzeugendem Personal. Und da haben die Grünen die Fischer-Lücke noch längst nicht geschlossen."

Und der Berliner TAGESSPIEGEL kommentiert lapidar:

"Gut ein Jahr nach dem Ende von Rotgrün hat sich an diesem Wochenende gezeigt: Die Grünen sind weit von einem klaren Kurs entfernt. Die Parteiführung blinkt zwar links, fährt aber weiter geradeaus, und zwar im Schlingerkurs. Die Parteibasis möchte gerne nach links abbiegen, findet aber den Abzweig nicht."