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Pressestimmen von Montag, 31.Dezember 2001

zusammengestellt von Henry Bischoff. 31. Dezember 2001

Bevorstehende Einführung des Euro-Bargeldes / Neujahrsansprache des Bundeskanzlers

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Einen Tag vor der Einführung des Euros steht die europäische Gemeinschaftswährung im Mittelpunkt des Interesses. Aber auch die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers findet Platz in den Kommentaren der Tageszeitungen. Doch zunächst zum Thema Euro.

Die Zeitung DIE WELT glaubt, dass der Abschied von der D-Mark das deutsche Selbstverständnis verändern wird:

"Es ist nicht Geld allein, das mit der Mark jetzt geht. Und ebenso wird mit dem Euro für die Deutschen weit mehr kommen, als sie ahnen mögen. Der Wechsel wird die Menschen zwingen, noch einmal über sich und ihr Land nachzudenken: Was sie sind und wie sie sein wollen. Die Mark war ein ehrbarer Umweg um alles Nationale, etwas Deutsches ohne Deutschtum. Damit ist es nun zu Ende: Die Deutschen verlieren einen der wenigen Anker ihres Selbstbewusstseins als Nation."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kritisiert die Rolle des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl bei der Entscheidung für die Währungsunion:

"Nahezu im Alleingang hat der Regierungschef des wiedervereinigten Deutschlands den Euro herbeigezwungen, brachial durchgesetzt gegen den Willen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Was immer der Langzeitkanzler in seiner Selbstgerechtigkeit anderswo der Demokratie, dem Rechtsstaat und dem Parlamentarismus angetan hat, beim Euro war die Methode Kohls höchst erfolgreich. Damit aber ist die Währung nicht der Schlusspunkt der Europäischen Einigung, sondern der Anfang."

Kritik an der politischen Führung kommt auch vom BONNER GENERALANZEIGER. Dessen Kommentator konzentriert sich allerdings auf den jetzigen Bundeskanzler Gerhard Schröder:

"Die politische Führung, die Schröder in diesen Tagen so kernig demonstriert, ist zum Teil nur vorgetäuscht. Das gilt auch für die Einführung des Euro. Derselbe Sozialdemokrat, der jetzt gar nicht umhinkommt, das gemeinsame europäische Geld zu bejubeln, hat den Euro, als er beschlossen wurde, als kränkelnde Missgeburt bezeichnet. Schon vergessen? In den Augen der Bürger offenbar ja."

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG glaubt nicht daran, dass die weit verbreitete Euroskepsis schnell in Eurobegeisterung umschlägt:

"Rund 50 Prozent stehen dem Projekt Euro skeptisch oder ablehnend gegenüber. Vor allem den älteren Bürgern fällt der Abschied von der Mark schwer. Denn in ihrer Erfahrung war Währungsumstellung gleichbedeutend mit Krieg und Not. So schickt sich wohl die Mehrheit der deutschen Zeitgenossen schlicht ins Unvermeidbare. Die Akzeptanz der neuen Währung wäre sicher höher, wenn man das Volk direkt befragt hätte, ob es die Mark auf den Müllhaufen der Geschichte befördern wollte."

Der SÜDKURIER beschäftigt sich mit den Vorteilen des Euro und freut sich auf Auslandsreisen ohne Geldumtausch:

"Wer viel reist, verspürt künftig ein bisschen weniger Fremdheit in Europa. In Frankreich seinen Bordeaux mit Euro statt mit Franc zu bezahlen, das mögen in das Ritual des Umtauschs verliebte Schriftsteller wie Martin Walser als "grauenhaft" und "Kahlschlag schlechthin" bezeichnen. Den meisten Menschen wird es nach wenigen Wochen zumindest egal sein, dass sie Rechnungen nicht mehr in Mark und Pfennig, sondern in Euro und Cent begleichen. Viele werden die europaweite Preistransparenz zu schätzen wissen und liebend gerne auf die Umtauschgebühren in Wechselstuben verzichten"


So viel zum Thema Euro. Kommen wir nun zu einem Ereignis, das jährlich wiederkehrt: Die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fragt:

"Diese Neujahrsansprache hört sich wie eine Pflichtübung an und berührt so gar nicht. Hat der Kanzler wirklich nichts oder nicht mehr zu sagen zu Arbeitslosigkeit, Renten, Asyl und Zuwanderung, dem Konflikt zwischen Indien und Pakistan, dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan?"

Der SCHWARZWÄLDER BOTE geht auf die wirtschaftspolitischen Äußerungen des Kanzlers ein und hofft:

"Gewiss hat Gerhard Schröder in der Zeit der Muße zwischen den Jahren die Einsicht gewonnen, dass nicht die Regierung, sondern die Wirtschaft neue Arbeitsplätze schafft - und dass dafür die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Also weg von der Regulierung von allem und jedem, hin zur Deregulierung des Alltags. Schluss mit Untätigkeit und Halbheiten bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme. Und keine fahrlässig gesetzten falschen Zeichen mehr. Wenn man in Europa ganz hinten ist, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, kann es ja eigentlich nur noch aufwärts gehen."