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Pressestimmen von Montag, 28. März 2004

zusammengestellt von Martin Muno. 28. März 2004

Streit um höhere Arbeitszeiten

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Im Blickpunkt der Leitartikler steht an diesem Montag der Streit um höhere Arbeitszeiten in Deutschland.

Zum Vorstoß der Bundesländer, für ihre Angestellten die Arbeitszeiten zu erhöhen, schreibt der Berliner TAGESSPIEGEL:

"Der deutsche Politdiskutant ist ein zäher Bursche mit alten Reflexen, und das ist schlecht. Aufs Stichwort 'Arbeitszeit' schnappen Arbeitgeber und Gewerkschafter, Regierende und Opponierende zu, als hätte es die elende Reformdebatte nie gegeben."

Und an anderer Stelle:

"Es macht eben einen Unterschied, ob eine schlecht bezahlte Krankenschwester, womöglich allein erziehende Mutter mit Betreuungsproblem, ein paar Stunden pro Woche mehr arbeiten muss fürs selbe Geld, oder ob es sich bei dem Mehrarbeiter um einen finanziell kommod eingerichteten Aufstreber handelt, dem - und bei dem - es nicht so darauf ankommt."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld merkt an:

"Es liegt nur wenige Jahre zurück, da galt die Verkürzung der Arbeitszeit als geeignetes Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Jetzt geht der Trend in die entgegen gesetzte Richtung. Arbeitgeber, CSU-Chef Edmund Stoiber, der Bundespräsidentenkandidat der Union, Horst Köhler, und die FDP sehen in einer unbezahlten Verlängerung der Arbeitszeit das Allheilmittel gegen Wachstumsschwäche, Betriebsverlagerungen ins Ausland und den weiteren Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland."

Ähnlich sieht es die FULDAER ZEITUNG:

"Wenn ein Verdi-Sprecher warnt, dass eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich 'faktisch eine Gehaltskürzung' bedeute, hat er Recht. Genau das ist der Sinn der Sache. Der Faktor Arbeit muss preiswerter werden, damit deutsche Produkte und Dienstleistungen ihre Konkurrenzfähigkeit nicht verlieren."

Harsche Kritik kommt dagegen von der HAMBURGER MORGENPOST:

"Die spinnen, die Römer. Für wie blöd müssen uns Stoiber und Co. halten, dass sie uns weismachen wollen, wir müssten pro Woche fünf bis sieben Stunden unbezahlte Mehrarbeit leisten, um die Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland zu bewahren und damit unsere Arbeitsplätze zu retten? Ist Deutschland etwa mangels Konkurrenzfähigkeit oder weil wir alle zu wenig arbeiten immer noch Exportweltmeister? Nein, denn auf Effizienz und Qualität der Arbeit kommt es an. Und Qualität hat ihren Preis. Da liegt der Hund begraben."

Die in Rostock herausgegebene OSTSEE-ZEITUNG resümiert:

"Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Rechnung aufgegangen wäre und kürzere Arbeitszeiten mehr Jobs nach sich gezogen hätten. Die Praxis hat aber gezeigt, es wurde kaum jemand zusätzlich eingestellt. Auch eine grundsätzliche Verlängerung der Arbeitszeit ist keine Lösung für mehr Jobs. Einen Königsweg gibt es nicht. Wenn es um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit geht, muss jedoch ein flexibles Arbeitszeit-Modell zwischen den Tarifparteien möglich sein. Gerade in den neuen Bundesländern gibt es für solche Regelungen viele Beispiele."

Vor dem Hintergrund des allgemeinen Krisengeredes mahnt das HANDELSBLATT:

"Keine Frage, die Risiken für die Konjunktur-Erholung haben zugenommen: Vor allem die drastisch gestiegenen Öl- und Rohstoffpreise sind eine ernste Belastung. Zudem wirft der schwache US-Arbeitsmarkt Zweifel auf, ob dort der Boom von großer Dauer ist. In Deutschland gibt es aber noch ein ganz anderes Konjunkturrisiko: Das Land ist im Stimmungstief, reif für den Psychiater. Drei Jahre Krise haben die Republik in die manische Depression gestürzt."

Zum Schluß ein Blick in die die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, die ins gleiche Horn stößt:

"Die größte Gefahr liegt jetzt darin, dass die Deutschen vor lauter konfusem, teils zweckpessimistischem Krisengerede allmählich selbst glauben, ihr Land sei zu dauerndem Abstieg verdammt - und entsprechend reagieren. So als sei es ökonomisch weise, immer nur auf Einkommen und Ausgaben zu verzichten. Weil die Einkommen stark sanken, brach der Konsum Ende 2003 stark ein. Genau das ist das akuteste Konjunkturproblem - und das würde mit neuen Belastungen nur schlimmer."