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Pressestimmen von Montag, 27. November 2006

Hajo Felten 26. November 2006

CDU-Parteitag/Investivlohn

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Vor dem CDU-Parteitag in Dresden droht innerhalb der Partei ein offener Streit um Kurs und Personen. Im Mittelpunkt steht dabei unter anderem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers. Er drängt darauf, das soziale Profil der CDU stärker hervorzuheben. Der zweitägige Bundesparteitag ist ein zentrales Thema in den deutschen Tageszeitungen.

Das STRAUBINGER TAGBLATT gibt dabei zu bedenken:

"Der Leipziger Reformparteitag bleibt eine Episode in der Geschichte der CDU, eine kurzes mutiges Aufflackern. Angela Merkel, die sich als Oppositionsführerin das Image der entschlossenen Reformerin zulegte, ist als Kanzlerin in die Rolle der ausgleichenden, versöhnenden Mittlerin geschlüpft. Die CDU braucht in Dresden gar nicht mehr nach links rücken, sie hat dies längst getan. Und steht wieder für einen bunten Gemischtwarenladen: Mit Merkel für die Macht, mit Koch und Oettinger für die ökonomische Freiheit und mit Rüttgers für die soziale Gerechtigkeit. Für jeden ist etwas im Angebot. Das erhöht die Chancen bei der Wahl. Und für die Macht hatte die CDU schon immer wenig Skrupel, ihre Prinzipien über Bord zu werfen."

Zum gleichen Thema schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Hat man - in diesem Falle: frau - das Sitzfleisch zum Abwarten, bis all die Vorschläge in der öffentlichen Wahrnehmung bis zur Unkenntlichkeit verrührt sind, dann kommt heraus, was die Kanzlerin so liebt: die Mitte. Alle Anträge werden zeigen, dass die CDU die Volkspartei der Mitte ist. Man kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei der CDU ein bisschen zugeht wie im Taifun: Während es rundherum tobt, tut sich in der Mitte: nichts. Es handelt sich um eine Art Leerstelle, die sich da bildet, wo sich alle treibenden Kräfte gegenseitig aufheben. Wohin das ganze Gebilde sich bewegt und ob überhaupt, ist an diesem Ort nicht zu spüren."

Für die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg verfolgt Kanzlerin Merkel eine Doppelstrategie:

"Rüttgers wird umarmt und bekommt seinen Antrag zur Staffelung des Arbeitslosengeldes durch. Den knurrenden Wirtschaftsnahen in der Union zum Trotz. Auf der anderen Seite wird aber zugleich ein Zückerli für die Arbeitgeberfreunde und Radikalreformer verteilt. Wahrscheinlich bekommt auch ein Antrag zur weiteren Flexibilisierung des Kündigungsschutzes, wie ihn Baden- Württembergs ehrgeiziger CDU-Landesvater Günther Oettinger einbrachte, den Segen des CDU-Parteitages in Dresden."

Der Bamberger FRÄNKISCHE TAG kritisiert: "Merkel wird den Parteitag gut überstehen, schon deshalb, weil sich ihre Rivalen gegenseitig neutralisieren. Von einer gefestigten Machtbasis kann aber keine Rede sein. Es wird also weitergehen mit jener Politik der Zeit und Kraft raubenden Umwege, zu der sich Merkel immer wieder durchringen muss, und an der die SPD mitnichten Alleinschuld trägt."


Themenwechsel:

SPD und Union dringen immer mehr auf eine stärkere Beteiligung von Arbeitnehmern am Gewinn ihres Unternehmens. So will die CDU am Dienstag auf dem Bundesparteitag in Dresden einen Antrag beschließen, der eine umfassende Initiative für mehr Arbeitnehmerbeteiligung vorsieht. Diese sogenannte Gewinnbeteiligung findet bei den Kommentatoren der deutschen Presse nicht nur Zuspruch.

Die Berliner TAGESZEITUNG meint:

"Auch mit einer Gewinnbeteiligung werden die Arbeitnehmer verlieren, so paradox das ist. Sollte ein Investivlohn eingeführt werden, können die Firmen die Bedingungen vorschreiben, zu denen ihre Arbeitnehmer Kompagnons werden dürfen. Der Deal ist abzusehen: Lohnverzicht gegen Gewinnbeteiligung. Für die Arbeitnehmer ist das ein Nullsummenspiel - im besten Fall. Denn sie müssten stets mit dem Risiko leben, dass die Gewinne doch nicht so üppig ausfallen wie prognostiziert."

Der MANNHEIMER MORGEN befürchtet, dass die Arbeitnehmer ein zu großes Risiko beim Investivlohn tragen:

"Was passiert jedoch, wenn die Gewinne nicht mehr sprudeln? Wenn der Aktienkurs fällt? Die Gewerkschaften sind misstrauisch, weil die Arbeitgeber einen Investivlohn bislang nur als Teil der Tarifsteigerung betrachten und nicht obendrauf satteln wollen. Damit würden die Arbeitnehmer das Risiko des Börsen-Jojos mittragen: Im schlimmsten Fall beschert ihnen die Beteiligung schmerzhafte Verluste, auf die sie keinen Einfluss haben. Attraktiv wäre also nur ein sicheres, steuerbegünstigtes Modell, das selbst bei einer Insolvenz den angesparten Investivlohn garantiert. Die Große Koalition wird hier noch viel Skepsis aus dem Weg räumen müssen."

Der WIESBADENER KURIER kommentiert:

"Die Tarifpartner könnten solche Regelungen schwerlich aushandeln, denn kein Arbeitgeberverband kann einem Mitglied vorschreiben, sein Eigentum mit den Mitarbeitern zu teilen. Zudem verstehen die Gewerkschaften den Investivlohn als zusätzliches Plus zu Lohnerhöhungen. Für den Unternehmer wäre es aber nur interessant, anstelle von Lohnerhöhungen Kapitalanteile einzuräumen, sprich Kostenvorteile für Eigentumsrechte einzutauschen. Den wohlmeinenden Koalitionären bleibt unter solchen Bedingungen nur das Rühren der Werbetrommel - gänzlich unverbindlich."

Dagegen schreibt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

"Wenn zwischen der Entwicklung der Löhne und der Verzinsung des Kapitals eine immer größere Lücke klafft, kommt dem Investivlohn eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu. Er gewährt den Arbeitnehmern eine attraktive Möglichkeit zur Altersvorsorge und nimmt sie zugleich mit in die Verantwortung für die gesunde Entwicklung des Unternehmens. Union und SPD streiten nun hoffentlich nicht um die Urheberschaft dieser Initiative. Sie tun besser daran, die Wirtschaft gemeinsam von den Chancen dieses Modells zu überzeugen."