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Pressestimmen von Montag, 25. August 2003

Walter Lausch24. August 2003

Opern-Gipfel in Verona/Debatte über dritte Kanzler-Amtszeit/Entwicklung der Arbeitslosenzahlen

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Der so genannte Opern-Gipfel und die mögliche Bewerbung des Bundeskanzlers um eine dritte Amtsperiode, das sind die beiden Themen im Mittelpunkt dieses Blickes auf die Kommentare der Montagsausgaben der deutschen Tageszeitungen. Zum Treffen in Verona schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in München:

"Eine komische Oper war das in Verona. Erst trieb der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi ein Versteckspiel mit dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi um die 'Carmen'-Aufführung in der berühmten Arena. Dann wollte er der Welt erklären, wie Demokratie funktioniert. Wenn Leute pfeifen dürften, während er sich in der Öffentlichkeit zeige, sei das eine Deformation der Demokratie, behauptet Berlusconi. Und wenn Journalisten kritische Fragen stellen, mag der Premier das auch nicht zulassen. Was eigentlich ist Demokratie für Berlusconi? Ganz einfach: Alles, was ihm nützt."

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER in Hamm meint, dass der Kanzler alles richtig gemacht hat:

"Es gibt Anlässe, da erspürt ein Gerhard Schröder, wie man ein verfahrenes Ding wie die deutsch-italienische Verstimmung am besten schaukelt. Kein Wort zuviel und keins zu wenig zur Absage von Ministerpräsident Berlusconi an den Operngipfel. Und während der Gastgeber für das Kneifen vor ein paar Demonstranten öffentlich Pfiffe erntete, gab sein Gast aus Berlin lächelnd das volle Programm bis zum Bad in der Menge. Und nebenbei das dezente Versprechen, Deutschland helfe gern: bei der schwierigen EU-Präsidentschaft wie im Versuch, die Verfassung des künftigen Europa in Rom besiegeln zu lassen. Berlusconi mag gelernt haben: 'Grandezza' kennt man in Deutschland nicht nur aus dem Wörterbuch."

Am Wochenende sind Stimmen in der SPD aufgekommen, die signalisieren, dass Kanzler Schröder zu einer dritten Amtszeit bereit sein könnte. Dazu schreibt die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG in Regensburg:

"Spaß-Kanzler, Reform-Kanzler, Dauer-Kanzler? Gerhard Schröder hat sich offenbar entschlossen, auf Helmut Kohls Spuren zu wandeln. Der Strahlemann aus Niedersachsen will im fernen Jahr 2006 um eine dritte Amtszeit kämpfen. Das hat zumindest Franz Müntefering verkündet. Man darf sich sicher sein, dass Schröders Büchsenspanner eine Nachricht von derartiger Tragweite nicht ohne das Einverständnis seines Chefs verbreiten würde. Die Partei hat dabei zu parieren - mag der von Schröder befeuerte Reformzug auch sozialdemokratische Heiligtümer platt walzen. Dass die Genossen ihm das Steuerrad nicht entreißen, setzt Schröder als selbstverständlich voraus. Er hat die einst so stolze SPD zum Kanzlerwahlverein von seinen Gnaden degradiert. Parallelen zur 'Machtmaschine' Kohl drängen sich auf."

DIE WELT in Berlin wundert sich für den Vorstoß aus der SPD:

"Es ist ein sehr eigenes Timing, das Franz Müntefering mit seiner Ankündigung wählt, der Kanzler werde 2006 noch einmal antreten - und natürlich gewinnen. Die Rot-Grünen stecken gerade in einer Phase, wo vorn die Gesetzesentwürfe schon geändert werden, die hinten noch gar nicht fertig geschrieben sind. Und die SPD siecht in einem anhaltenden Umfragetief, weil sie auch der eigenen Klientel den Zusammenhang nicht plausibel machen kann, der zwischen harten Einschnitten und nötigen Reformen besteht. Einen taktischen Sinn ergeben Münteferings dicke Backen nur, weil Gerhard Schröder nach haltlosem Zickzack seit September inzwischen auf einen langen Zyklus setzen will."

Zum Schluss noch eine Pressestimme zu dem Schreckensszenario, dass es im Winter in Deutschland fünf Millionen Arbeitslose geben könnte. Solche Prognose sollen in der Bundesanstalt für Arbeit existieren. Für die BERLINER ZEITUNG ist dieses Szenario realistisch, da keine neuen Stellen entstehen:

"Auch wenn es banal klingt: Wo keine Stellen sind, kann niemand vermittelt werden. Ob Zeitarbeitsfirma oder Arbeitsamt, sie alle können nichts daran ändern, dass die Unternehmen die von ihnen angebotenen Kräfte nicht nachfragen. Ob es etwas nützen wird, dass für Langzeitarbeitslose in Zukunft jede Stelle zumutbar sein soll, und sei es die billigste Leiharbeit, kann sich erst erweisen, wenn die Wirtschaftskrise überwunden ist. Bislang ist jedoch nicht erkennbar, wo und in welchen Branchen in Deutschland die Millionen von wettbewerbsfähigen Jobs entstehen sollen, die zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit benötigt würden. Auf diese entscheidende Frage hat die Regierung bislang keine Antwort parat."