1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 23. Januar 2006

Annamaria Sigrist22. Januar 2006

Iran / Untersuchungsausschuss

https://p.dw.com/p/7p8l
Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Montag vor allem mit zwei Themen: Mit der Zuspitzung des Konflikts mit dem Iran und mit der Diskussion um den Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak. Irans Präsident Mahmud Ahmadineschad ist im Atomstreit unnachgiebig. Zudem hatte er am Wochenende die islamischen Staaten zum Wirtschaftsboykott gegen den Westen aufgerufen.

Der WIESBADENER KURIER schreibt dazu:

"Leider ist die iranische Seite viel konfliktbewusster und - williger als die konsternierte Weltgemeinschaft. Der Aufruf Ahmadinedschads zum Wirtschaftskrieg der islamischen Staaten gegen den verhassten Westen dürfte angesichts der arabisch-iranischen Rivalitäten zwar kaum gehört werden, er zeigt jedoch welcher Wind derzeit in Teheran weht. Einen Amokläufer als Präsident hat Iran schon. Wenn daraus ein amoklaufendes Regime, ein Amok-Staat wird, dann befinden wir uns, ob mit oder ohne Drohkulisse, im Krieg."

Die ABENDZEITUNG aus München ergänzt:

"Der Iran kann binnen eines Jahres die Bombe bauen - das behaupten zumindest der Mossad und der BND. Spätestens seit der französischen Drohung mit der Force de Frappe stehen plötzlich Szenarien einer atomaren Auseinandersetzung im Raum. Noch steht ein großer Krieg nicht unmittelbar bevor. Der stärkste Grund dafür ist, dass die USA weder große Lust noch genügend Truppen haben, um nach dem Irak den größeren und schon jetzt besser gerüsteten Iran anzugreifen. Umso drängender ist es, jetzt eine diplomatische Lösung zu finden - bevor der Konflikt wirklich eskaliert."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder bemerkt:

"Nur ein Kompromiss hilft weiter. Er könnte darin bestehen, dass Iran nur die Vorstufe für die Urananreicherung betreibt, der eigentliche Prozess aber in Russland stattfindet. Moskau wäre dazu bereit, Teheran hält sich diese Option offen. Damit würde Iran auf einen geschlossenen Brennstoffzyklus verzichten, den für zivile Zwecke auch der Kernwaffensperrvertrag erlaubt. Für dieses Zugeständnis, das einen Präzedenzfall darstellen würde, müsste Teheran mit einer Gegenleistung belohnt werden."

Die EßLINGER ZEITUNG kommentiert:

"Doch jenseits aller verbalen Muskelspiele laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren, Teheran doch noch zum Akzeptieren internationaler Atomkontrollen zu bewegen. An dieser Einbindungsstrategie führt nach wie vor kein Weg vorbei. Nach dem Ende des Kalten Kriegs sind atomare Abschreckungsszenarien kontraproduktiv. Sie bergen in diesem Konflikt die Gefahr einer globalen Eskalation. Auch die Bemühungen, den Atomstreit vor den Sicherheitsrat zu bringen, könnten spätestens dann scheitern, wenn die Vetomacht China bei Sanktionen nicht mitzieht."


Ins Inland. An diesem Montag beraten die Bundesregierung und die Fraktionschefs darüber, ob ein Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak einberufen werden soll, oder ob es Alternativen zur Klärung gibt.

Die TAZ aus Berlin notiert:

"Vor dem heutigen Treffen der Fraktionschefs häufen sich die Signale, dass die Lust der Grünen auf einen Untersuchungsausschuss abnimmt. Sie sehen den Informationsbedarf 'geschrumpft', seit das Kontrollgremium des Bundestags mit zwei BND-Agenten und deren Vorgesetzten sprach. Ja, mehr noch: Es sei inzwischen nachgewiesen, dass die Agenten in Bagdad nicht als 'vorgeschobener Feuerleitposten' der US-Truppen fungierten, ließ Grünen-Chef Bütikofer wissen. Wer es glaubt, mag bei der romantischen Verklärung der rot-grünen Friedenspolitik selig werden. Mit transparenter Aufklärung haben diese Rückzugsgefechte nichts zu tun, mit Oppositionsarbeit noch weniger. Es scheint den Grünen nur noch darum zu gehen, eine möglicherweise unangenehme Aufarbeitung ihrer eigenen Regierungszeit zu vermeiden."

Auch die STUTTGARTER NACHRICHTEN nehmen die Grünen ins Visier:

"Die Grünen haben einfach keine Lust darauf, vorgeführt zu werden. Denn natürlich ist der Grund für die Vehemenz, mit der FDP-Chef Westerwelle den Ausschuss fordert, klar: Er will die grüne Außenpolitik unter Joschka Fischer vom Denkmal holen und seiner Partei im Wettstreit mit dem grünen Gegner einen strategischen Vorteil sichern."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU meint:

"FDP, Grüne und Linkspartei kämpfen ebenso sehr gegeneinander wie gegen die Regierung. Die braucht sich vorerst nicht zu beunruhigen. Auffallend, wie die Union die Abwehr des Ausschusses mit Argumenten unterfüttert. Eine Hilfeleistung an die SPD, die vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre. Die Koalitionäre wollen Ruhe. Und es scheint, als könne die Opposition die derzeit nicht stören."

Abschließend heißt es in der OSTTÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

"Die Bundesregierung fürchtet einen Untersuchungsausschuss. Er ist lästig. Er ist Zeit raubend. Und wer gräbt, der wird meist irgendetwas finden. Dem Außenminister gruselt es davor. Kanzleramtschef Thomas de Maizière müsste ein Interesse daran haben, das Parlament besser in die Führung der Geheimdienste einzubinden: Kurzfristig, um der Opposition den Ausschuss abzuhandeln, mittel- und langfristig zum Selbstschutz, um nicht als Packesel zu enden, der mit jeder Panne persönlich belastet wird. De Maizière müsste heute den Fraktionen entgegen kommen."