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Pressestimmen von Montag, 23. April 2007

Herbert Peckmann22. April 2007

Erkenntnisse zu RAF-Morden

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Auch 30 Jahre nach der Ermordung von Generalbundesanwalts Buback durch die terroristische 'Rote Armee Fraktion' (RAF) schlägt das Thema in Deutschland noch hohe Wellen; zumal jetzt neue Erkenntnisse bekannt geworden sind. Die Debatte spiegelt sich in den Kommentaren der Tagespresse.

So stellt die FINANZIAL TIMES DEUTSCHLAND fest:

"Ein Stück deutscher Geschichte entrollt sich vor den Augen der Deutschen wie ein dramatischer Film. 30 Jahre nach dem 'Deutschen Herbst' tauchen plötzlich neue Hinweise auf den Tathergang beim Mord an dem Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 auf: Nicht der inhaftierte Christian Klar, sondern das frühere RAF-Mitglied Stefan Wisniewski soll unmittelbar an der Ausführung des Anschlags vom Motorrad aus auf Buback und seine Begleiter in Karlsruhe beteiligt gewesen sein. ... Auf die gegebenenfalls neue juristische Aufarbeitung haben mutmaßliche Täter wie die Angehörigen der Opfer ein Recht. Eine neue politische Bewertung aber folgt daraus nicht ...".

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld geht auf die erschreckende Bilanz der RAF-Morde ein. Das Blatt schreibt:

"Trotz der Urteile gegen RAF-Terroristen darf kaum etwas als wirklich geklärt gelten. Von den insgesamt 22 Morden der RAF können allenfalls zwei als aufgeklärt gelten. Und von sieben der identifizierten oder verdächtigen RAF- Tätern fehlt jede Spur. Jetzt fordern Politiker aller Parteien schnelle Aufklärung, auch über die Rolle der deutschen Geheimdienste. Es ist zu befürchten, dass die Akte RAF kein Ruhmesblatt für diese Organisationen enthält."

Für die Zeitung DIE WELT gibt es weiterhin eine - Zitat - "Wirkmacht der RAF". Dort lesen wir:

"Einmal mehr erweist sich, dass die RAF-Ära mitnichten abgeschlossen ist – wie könnten sonst einige diffuse 'Hinweise' aus höchst zweifelhaften Quellen eine derartige Streuwirkung erzeugen? Von der Generalbundesanwältin darf erwartet werden, dass schleunigst und in deutlichen Worten so viel Klarheit wie irgend möglich über den tatsächlichen Stand der Erkenntnis in Sachen RAF hergestellt wird. Und den Angehörigen der RAF-Opfer, die gestern den Bundespräsidenten eindringlich vor jedem Gnadenerweis aus dem Untergrund für Christian Klar warnten, ist Gehör zu wünschen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert:

"Der ehemalige RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock wagt sich – endlich – öffentlich aus dem Schützengraben des Schweigens, in dem die Komplizenschaft der Täter bis heute lebt. Angestoßen hat diesen Prozess Michael Buback, er fordert Aufklärung – für sich selbst, was den Mörder seines Vaters betrifft, und auch für die Gesellschaft, der es um Vergewisserung über die eigene Vergangenheit gehen muss. Dass die Täter dazu bisher wenig beitrugen, zeugt von Unbelehrbarkeit und von Blindheit."

Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz analysiert:

"Wenn die Enthüllungen des 'Spiegel' stimmen, wussten Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt seit mehr als 20 Jahren, dass Christian Klar und Knut Folkerts Bundesanwalt Siegfried Buback nicht erschossen und dass der Täter Stefan Wisniewski hieß. Justitia wurde also von Amts wegen nicht nur blind gehalten, sondern auch unwissend. Das ist ein rechtspolitischer Skandal erster Ordnung."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG meint mit Blick auf die Arbeit der Justizbehörden:

"Es kann sich schnell erweisen, dass wir vor der Aufklärung eines gigantischen Skandals stehen. Wenn es stimmt, dass mit dem Terroristen Knut Folkerts der falsche Mittäter für den Mord an Generalbundesanwalt Buback verurteilt wurde und der Todesschütze Stefan Wisniewski seit Jahren wieder als freier Mann durch die Straßen spaziert, dann ist dies allein schlimm genug. Wenn dies aber möglich war, weil sich Verfassungsschutz und andere Behörden an ihrem geheimen Wissen erfreuten, statt es zur Aufklärung dieses ... Strafverfahren der Bundesanwaltschaft zugänglich machten, dann wackelt der Rechtsstaat in seinen Grundfesten. Mehr als durch RAF-Bomben selbst."

Die Berliner Zeitung TAZ sieht es so:

"Wer Geheimdienste haben will, muss auch mit den Folgen ihres Tuns leben. Die teilweise Außerkraftsetzung des Rechtsstaats wird man nun nicht mehr heilen können. Knut Folkerts hat seine Zeit abgesessen und auch Stefan Wisniewski war 21 Jahre im Gefängnis. Soll er nun noch einmal wegen Mordes angeklagt werden?", fragt die TAZ.

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es:

"Die RAF mag sich für aufgelöst erklärt haben, doch die meisten ihrer Ehemaligen ... halten sich weiter an ihre eigenen Gesetze. Die vielfach geforderte Distanzierung von der RAF und ihren Verbrechen ist das nicht. Ein Täter wie Klar, der wegen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs verurteilt wurde, kann sich in diesen Fällen kaum noch zusätzlich selbst belasten. Doch kann er durch sein Schweigen immer noch Dritte decken. Andere haben sich zur Reue und zum Reden entschlossen, manche angeblich schon vor langer Zeit, sogar Bundesbehörden gegenüber. Es wird zu prüfen sein, was davon stimmt."

Schließlich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Es ist erstaunlich, wie wenig selbst bei RAF-Taten, die als aufgeklärt gelten, tatsächlich aufgeklärt ist. ... Natürlich ist trotzdem gestraft worden: schwer, schwerst, lebenslänglich. Aber immer wieder hat sich die Justiz dabei mit juristischen Mitteln beholfen. ... Das ist juristisch sauber, aber tatsächlich unbefriedigend."