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Pressestimmen von Montag, 2. Juni 2003

Hans Ziegler1. Juni 2003

SPD-Sonderparteitag/ Ökumenischer Kirchentag

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Zentrales Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse ist an diesem Montag der SPD-Sonderparteitag in Berlin und die Zustimmung der rund 500 Delegierten zu Reformagenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Daneben findet der erste Ökumenische Kirchentag Beachtung, der am Sonntag zu Ende gegangen war.

Zunächst zur SPD und der Rückendeckung, die Kanzler Schröder von seiner Partei erhielt. DIE WELT sieht in den Votum des Parteitages allerdings keinen echten Schritt nach vorn. Im Kommentar heißt es:

'Die SPD hat dem Kanzler gehorcht, aber hat sie auch verstanden? Nach einigen knapperen Teilabstimmungen war das abschließende, eigentliche Votum über die Reform-Agenda des Kanzlers auf dem Berliner Sonderparteitag sehr deutlich. Doch ebenso klar wurde, dass sich das altlinke Lager der Kritiker weiter taub stellt für alle Rufe nach mehr Sinn für eine veränderte Wirklichkeit der Wirtschaft im Land.'

Die BERLINER ZEITUNG meint:

'Dem Kanzler und SPD-Chef Schröder gelang es auch dieses Mal nicht, die Partei durch eine mitreißende Rede von seinen Reformschritten vollends zu überzeugen. Wieder hielt Schröder eine mittelmäßige Ansprache, in die sozialdemokratische Schlüsselbegriffe wie 'Gerechtigkeit', 'Solidarität' und 'Freiheit' in üblicher Dosis eingestreut waren. Und die Ausführungen, mit denen Schröder der wunden Parteiseele Halt zu geben suchte, verdeutlichten eher die Fragen, auf die seine Agenda 2010 höchstens erste Antworten gibt, ohne wirklich tragfähige Lösungen zu vermitteln.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG lobt den Bundeskanzler, übt aber Kritik an dessen Partei:

'Schröder hat recht: Zuerst und vor allem braucht Deutschland eine andere Mentalität, die Besinnung auf die Eigenverantwortung. Wie schwer jedoch schon der größten Regierungspartei dieser Gesinnungswechsel fällt, lassen die SPD-Austrittszahlen erkennen. Ob doch noch einmal das Sein das Bewusstsein der ganzen SPD bestimmt - und wie -, wird sich spätestens im Herbst zeigen, wenn unübersehbar ist, dass Schröders Agenda nicht ausreicht, um das Land auf dem Weg nach unten abzufangen. Sollte dann immer noch ein Teil der Partei meinen, die Reformen seien das größte Übel, dann könnte auch das Nachdenken über eine große Koalition eingestellt werden. Denn mit einer solchen SPD wären Deutschlands Probleme nicht zu lösen.'

Anders sieht es die STUTTGARTER ZEITUNG. Das Blatt zweifelt weniger an der SPD als an dem Kanzler:

'Der Berliner SPD-Sonderparteitag könnte zur Stunde der Wiedergeburt für den Reformer Gerhard Schröder werden, als der er 1998 ja angetreten war. Das setzt allerdings voraus, dass er wirklich Ernst macht mit seinen Ankündigungen, dass er Kurs hält, wenn er in schwere See gerät, dass er Führungskraft zeigt, wenn seine Partei in diesem Diskussionsprozess an den Rand der Zerreißprobe gerät. Auf diesem langen, schweren Weg braucht Gerhard Schröder das, was ihm in der Vergangenheit immer wieder gefehlt hat: Eine klaren inneren Kompass und den langen Atem, den er nun von den anderen verlangt.'

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG schließlich weist auf das zähe Prozedere hin, dass nach dem SPD-Parteitagsvotum nun ansteht und sieht dabei auch CDU/CSU in der Pflicht:

'Schröders Programm ist noch lange nicht durch: Als nächstes folgt der Schlagabtausch mit der Opposition im Vermittlungsausschuss. Entgegen aller Verantwortungsrethorik lässt die Union keinen Zweifel daran, dass sie diesen quälend langsamen Vorgang nutzen wird, um die Regierung in ihrem Stimmungstief weiter unter Druck zu setzen. Wann begreift die Politik, dass die Zeit für parteipolitisches Taktieren abgelaufen ist? CDU und CSU sind vielleicht noch stärker als die Regierung in der Pflicht, endlich den Weg für einen schonungslosen Ideenwettbewerb freizumachen.'

Abschließend noch die AACHENER NACHRICHTEN, die den ersten Ökumenischen Kirchentag zum Kommentarthema machen:

'Auf dem Ökumenischen Kirchentag von Berlin entsteht in der Begegnung der beiden großen Konfessionen dieses Landes ein Raum, in dem sich das fest gefügte der kirchlichen Institutionen verwischt. Man könnte auch sagen: Der Kirchentag bietet in seiner bunten Anarchie einen wohltuend herrschaftsfreien Raum, in dem die von der Schwere der Lehre Bedrückten Atem schöpfen können. Hier regiert das Volk Gottes, nicht seine von Menschen dazu gemachten Vertreter.'