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Pressestimmen von Montag, 19. Mai. 2003

Helmut Schmitz.19. Mai 2003

FDP-Parteitag/SPD-Agenda/Terror-Anschläge

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Montag mit dem FDP-Parteitag und dem Streit innerhalb der SPD über die Agenda 2010. Thema sind auch die jüngsten Terror-Anschläge im Nahen Osten.

Zum Parteitag der FDP schreibt DIE WELT:

'Guido Westerwelle hat in der "Daily Soap" der Liberalen eine neue Rolle übernommen. In der Pose von Altkanzler Helmut Kohl forderte der FDP-Chef auf dem Bundesparteitag in Bremen eine "geistig-moralische Wende". Wohlgemerkt: Das ist jener Mann, der noch vor kurzem im "Big Brother"-Container vor laufenden Kameras eine Flasche Bier leerte und mit seinem Guidomobil durch die Republik kurvte. Und dem es sichtlich Mühe bereitete, das anrüchige Treiben seines damaligen Stellvertreters Möllemann zu stoppen. Nun die neueste Inszenierung: Guido Westerwelle als postmoderner Kohlianer. Wofür die Westerwelle-FDP inhaltlich steht, ist nach diesem Parteitag unklarer denn je.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

'Die Lizenz zur Eigenverantwortung stellt die Partei jenen Eliten aus, die sie stützen: So lässt sich die aktuelle freidemokratische Definition von Freiheit begreifen. Es geht also der FDP in der Hauptsache nicht um Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, es geht in fast allen Reden um Abwehrrechte der Unternehmer gegen Arbeitnehmer. Wäre nicht Fraktionschef Wolfgang Gerhard gewesen, die Partei hätte nichts weiter geboten als Statements von der Stange. So rächt sich, dass der medienorientierte Westerwelle in inhaltsarmen Spaßparteizeiten über den Klamauk die konzeptionelle Arbeit vernachlässigte. Das ist das Signal von Bremen: Möllemann ist überwunden, die FDP gefestigt. Einig und geschlossen strebt sie ihrer Zukunft entgegen. Fragt sich, wozu?'

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin kommentiert den Reform-Streit innerhalb der SPD:

'Um die Restempörung der Linken über die Agenda 2010 mit einem neuen Papierberg voller Reiz-Reaktionsschlüsselwörter erdrücken zu können, hat eine Aktionsgruppe unter Führung von Olaf Scholz schnell noch "Iwan" erfunden. Es geht um etwas Altbekanntes, nämlich um Innovation, Wachstum, Arbeit und Nachhaltigkeit. Auf praktisches Deutsch übersetzt aber hört sich das schon etwas anders an: mehr Erbschaftssteuer, mehr Kapitalertragssteuer, mehr Steuern auf Gewinne bei Wertpapierverkäufen. Und auf Sozialdemokratisch heißt das nichts anderes als: Jetzt sollen 'die Reichen' mal ran.'

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus München heißt es:

'Jetzt wäre es so weit. Das spürt auch der Kanzler. Dieses Gespür wenigstens hat ihn nicht verlassen. Deutschland ist bereit, bis auf Frank Bsirske und Ursula Engelen-Kefer. Die Frage ist nur: Sind diejenigen noch bereit und bei Kräften, die jetzt in der Grube schrauben müssten? Gerhard Schröder versteht die Agenda 2010 als Prototyp. Wenn sich seine SPD und das Land daran gewöhnt haben, soll das Reformmodell in Serien gehen. Das kann funktionieren. Aber es funktioniert nur, wenn er sich kein bisschen beirren lässt und die nächsten Schritte schon vorbereitet sind. Leider stiftet die Erfahrung mit den bisherigen Projekten der rot-grünen Bundesregierungaus den vergangenen fünf Jahren weder große Zuversicht noch Vertrauen.'

Die B.Z. aus Berlin befasst sich mit den Jüngsten Terroranschlägen in Marokko, Saudi Arabien und Israel:

'Casablanca, Riad, Jerusalem: Gestern hier und heute da, es zieht sich eine Blutspur durch den Mittleren Osten. Den Terroristen geht es nicht nur um Vernichtung, die sie bewirken, sondern noch mehr um Angst und Unordnung, die davon ausgehen. Regierung und Ordnungskräfte sollen hilflos aussehen, die Konflikte sich verschärfen. Lösen kann Terror kein reales Problem. Aber das ist auch nicht das Ziel, sondern die Verschärfung der Konflikte.'

Abschließend der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm:

'Mit Marokko hat eines der politisch gemäßigten Länder Nordafrikas erfahren, was es heißt, sich im brutalen Feldzug weltweit verzweigter Terrornetze selbst gegen den Terror und an die Seite des großen Amerika zu stellen. Für Marokko selbst ist dies erst der Beginn einer mörderischen Kraftprobe. Für den Westen aber reicht das Signal viel weiter. Denn der Anschlag auf ein spanisches Kulturhaus in Casablanca zeigt auch, dass es besonders die Mitstreiter im Irak-Krieg sind, die ins Visier eines neu erstarkten Terrornetzes gerückt sind. Und dass mit dem Ende dieses einen, schon als Erfolg gefeierten Waffenganges der Kampf gegen die wirkliche Bedrohung der Welt wohl erst begonnen hat.'