1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 16. Juli 2007

Hans Ziegler15. Juli 2007

Debatte um Schäubles Anti-Terror-Pläne / Sorge um KSE-Vertrag

https://p.dw.com/p/BG7b

Dominierendes Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse ist die Diskussion um die von Bundesinnenminister Schäuble angeregte Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Daneben findet auch die Ankündigung des russischen Präsidenten Putin Beachtung, den KSE-Abrüstungsvertrag auszusetzen.

Zunächst zur Diskussion um neue Anti-Terror-Pläne, eine Debatte, in die sich nun auch Bundespräsident Köhler eingeschaltet hat. In den Presse-Kommentaren findet diese Intervention Köhlers nahezu uneingeschränkt Zustimmung. So schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Dass Horst Köhler seine Sorge um Grundbestandteile unserer Verfassung unmissverständlich äußert, ist gut. Ein Grund alarmiert zu sein, ist die Tatsache, dass das Staatsoberhaupt diese Intervention mit Recht für notwendig hielt. Das hätte er sicher nicht getan, wenn die Kanzlerin, wie es ihre Pflicht wäre, Wolfgang Schäuble selbst in die Schranken gewiesen hätte. Deshalb war Köhlers Interview auch eine schallende und berechtigte Ohrfeige für Angela Merkel.'

Die HEILBRONNER STIMME äußert sich ähnlich:

'Das hätte man sich von Angela Merkel gewünscht. So schnell, wie sie bei der Rüge für Günther Oettinger nach dessen verpatzter Filbinger-Rede war, so zögerlich geht sie mit Wolfgang Schäuble um. Andere haben ihr das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Denn es ist schon höchst ungewöhnlich, dass Bundespräsident Köhler dem Innenminister eine Rüge erteilt. Sein Machtwort kommt zur rechten Zeit.'

Ebenfalls von einem Machtwort spricht die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg; auch in diesem Kommentar zeigt sich Zustimmung für die Mahnung des Bundespräsidenten:

'... bei allem Respekt vor der Verantwortung eines Innenministers was Schäuble betreibt, ist Angstmache. Er nähert sich damit gefährlich der Methode seiner Gegner. Schäubles versuchter rechtspolitischer Selbstmord aus Angst vor dem Tode gefährdet nicht nur die Koalition. Dieses Verhalten vergiftet auch das innenpolitische Klima. Um das Grundgesetz nach den Vorstellungen des Ministers zurechtzubiegen, dafür ist die Große Koalition nicht im Amt. Es gibt keine absolute Sicherheit vor Terror-Attacken. Auch nicht auf dem Wege einer Militarisierung der Innenpolitik, wie sie Schäuble offenbar vorschwebt.'

Abschließend die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND - sie mit einer anderen Sicht auf das Thema, wenn es im Kommentar heißt:

'Es ist befremdlich, dass sich Köhler am Sommertheater Sicherheitsdebatte beteiligt. Der Bundespräsident kann das Gewicht seines Wortes in die Waagschale werfen, wenn es um grundsätzliche gesellschaftliche Entwicklungen oder Fehlentwicklungen geht. Und seine Aufgabe ist es, Gesetze, die er für nicht verfassungskonform hält, zu stoppen. Schäubles Vorschläge gehören zu keiner von beiden Kategorien. Stattdessen findet hier munter Politik virtuell statt.'

Themenwechsel und zur Ankündigung Russlands den KSE-Vertrag auszusetzen. Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder meint:

'Die jüngsten Verlautbarungen aus Moskau wollen nicht so recht zu den Bildern passen, die noch vor zwei Wochen um die Welt gesendet wurden: die Männerfreunde George W. und Wladimir beim Hochseeangeln und Palavern über die Probleme der Welt. Überraschend ist die Aussetzung des KSE-Vertrags, des wichtigsten Eckpfeilers der konventionellen Rüstungsbegrenzung in Europa, indes nicht. Dem Wort 'aussetzen' ist eine gewisse Unschärfe eigen. Nicht gesagt ist damit, dass sich Russland auch substanziell von dem Vertrag distanziert ... Aber klar ist, dass die Beziehungen des Westens zu Russland nicht einfacher werden. '

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf merkt kritisch an:

'Putin hat ein stichhaltiges Argument: Die Mehrzahl der NATO-Staaten hat die 1999 modifizierte Fassung dieser Vereinbarung zur Rüstungskontrolle nicht ratifiziert. Aber gleichwohl muss sich der russische Präsident die Frage nach dem Nutzen seiner Trotzreaktion stellen lassen: Will er neue Panzer, neue Kampfflugzeuge bauen lassen? Und wenn ja, was will er mit den dann aufgerüsteten Arsenalen? Träumt er von einer Renaissance des glorreichen Sowjetimperiums? Putin sollte doch wissen, wo seine wahren Interessen liegen: in einem friedfertigen Europa, das einen riesigen Markt für Russlands reiche Energieschätze bietet.'

Auch das COBURGER TAGEBLATT weist auf wirtschaftliche Interessen Russlands hin:

'Auch wenn Putins sicherheitspolitischer Kurs schwankt zwischen Diplomatie wie jüngst auf dem G8-Gipfel und ruppigen Ausfällen wie auf der Sicherheitskonferenz in München: Russland will ernst genommen werden. Moskau setzt dabei den Reichtum seiner Ressourcen ungeniert ein. Aber ein echtes Interesse an gespannten Beziehungen kann Putin nicht haben: Das wirtschaftliche Hemd dürfte den Russen näher sein als der militärische Rock.'

Abschließend der MÜNCHENER MERKUR, der auf ein möglicherweise steigendes Konfliktpotential auch zwischen Deutschland und Russland hinweist. Im Kommentar heißt es:

'Die Aufkündigung des KSE-Vertrags heißt nicht, dass eine neue Phase des Wettrüstens bevorstünde. Putins Keulenschlag zielt mehr auf die Psyche seiner Adressaten denn auf deren Physis. Russland hätte für einen - militärisch sinnlosen - Rüstungswettlauf in Europa gar nicht das Geld übrig. Außerdem profitiert das Land von guten Wirtschaftsbeziehungen zum Westen. Europa und USA müssen sich dennoch darauf einstellen, dass der nach innen erschreckend repressive Riese nach außen immer mehr als globaler Spieler und als Hegemonialmacht auftreten wird. Damit steigt das Konfliktpotenzial zwischen Deutschland und seinem wichtigsten Energieversorger.'