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Pressestimmen von Montag, 15. Dezember 2003

Ulrike Quast14. Dezember 2003

Saddam Hussein gefasst / EU-Gipfel gescheitert

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Der Fahndungerfolg der US-Truppen im Irak, denen es nach monatelanger Suche gelungen ist, Ex-Diktator Saddam Hussein festzunehmen, dominiert die Kommentare der deutschen Tagespresse. Daneben tritt der EU-Verfassungsgipfel in den Hintergrund, der am Machtkampf um die künftige Stimmengewichtung in der Union gescheitert ist.

Zunächst zur Festnahme Saddams. Das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT schreibt:

"Verbitterte Getreue Saddams werden ihrer Wut wohl noch einmal mit Terroranschlägen Luft zu machen versuchen. Doch langfristig dürfte der Widerstand nach und nach in sich zusammenfallen, weil die finanzielle und materielle Infrastruktur für die Versorgung der Terroristen immer weiter austrocknet. Allein sind die Amerikaner beim Wiederaufbau des Iraks jedoch überfordert. Das haben die vergangenen Monate gezeigt. Doch in eine gesicherte Zukunft wird der Irak nur dann schauen können, wenn Bush eine breite internationale Koalition in die Verantwortung einbindet."

Der EXPRESS aus Köln meint:

"Die US-Armee zog einen müden, alten Mann mit wirren Haaren und struppigem Bart aus einem Erdloch, der sich widerstandslos abführen ließ. ... Der Despot, vor dessen beispielloser Brutalität das ganze Land zitterte, hat sich feige wie eine Maus verkrochen - mit dieser Erkenntnis ist für den Irak und den Rest der Welt die Ära Saddam endgültig vorbei. Als Mythos oder gar Märtyrer kann ihn jetzt niemand mehr ansehen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG blickt in die Zukunft:

"Gespannt wird man außerdem darauf sein, was Saddam zu sagen hat - wenn er aussagt und wenn seine Aussagen, es ist von einem Tribunal die Rede, öffentlich gemacht werden. Warum hat er seinen Militärs nicht den Befehl gegeben, sich den Invasionstruppen ernsthaft in den Weg zu stellen? Was hatte es mit den Massenvernichtungswaffen ... wirklich auf sich? Gibt es sie noch, oder gab es sie?"

Die BERLINER ZEITUNG richtet ihre Aufmerksamkeit auf den amerikanischen Präsidenten:

"Für George W. Bush war gestern einer der besten Tage in der so genannten irakischen Nachkriegszeit. Dass die Menschen auf den Straßen von Bagdad oder Kirkuk den Amerikanern zujubeln, ist inzwischen ein seltenes Erlebnis geworden. Und dass der Präsident seinen Wählern zu Hause deutlich machen kann, dass im fernen Irak nicht alles schief geht, ebenfalls. Die zweite Amtszeit des Präsidenten ist ein Stück näher gerückt."

Die Tageszeitung DIE WELT beschäftigt sich mit der Rolle Europas nach der Festnahme Saddams:

"Die Europäer werden für kurze Zeit in ihrer Kritik verstummen, um dann wieder das Chaos an die Wand zu malen. Nach wie vor haben besonders Deutsche und Franzosen jede einzelne Nachricht aus dem Irak zum Anlass genommen, den Untergang des Morgenlandes vorauszusagen: Saddam werde genauso wenig gefunden werden wie die Massenvernichtungswaffen. Im ersten Fall haben sie geirrt, im zweiten könnten sie ebenfalls irren. Langsam wird es für einige europäische Regierungen Zeit, den Irak nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance zu begreifen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasst sich mit einem anderen großen Thema des Wochenendes, dem gescheiterten EU-Gipfel in Brüssel:

"Die kommenden Monate müssen genutzt werden, Polen und Spanien von Sonderwegen abzubringen. Doch auch wenn dies gelingt, bleibt dem Kontinent eine heikle Debatte nicht erspart. Das Reizwort heißt Kerneuropa. Wenn etliche Länder nicht bereit sind, auf mehr Souveränität zu verzichten, als es ihnen die Wirtschaft-Union heute abverlangt, bleibt ambitionierten Staaten nichts übrig, als im kleinen Kreis voranzugehen - vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik. Schröder und Chirac haben das am Wochenende klargestellt und prompt empörte Abwehrreaktionen aus Warschau und Madrid erhalten. Polen und Spanien sollten jedoch bedenken: Sie haben zwar alles Recht, sich selbst dem Fortschritt zu verweigern, aber keinen Anspruch darauf, dass auch alle anderen im Stillstand verharren."

Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus fragt:

"Aber waren es wirklich einzig und allein die beiden Mittelmächte, die mit ihren nationalen Egoismen den Gipfel zum Fiasko machten? Gab es da nicht auch ein gewisses Interesse der großen Staaten, den Karren an die Wand zu fahren und den Widerspenstigen zu zeigen, wer Koch und wer Kellner ist im großen Club der EU?"