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Pressestimmen von Montag, 13. Dezember 2004

Herbert Peckmann12. Dezember 2004

Türkei kritisiert Unionsparteien / Reform-Gespräche zwischen Bund und Ländern / Neue Giftvorwürfe in der Ukraine

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Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern eines Türkei-Beitritts zur EU unter dem Eindruck von Diskriminierungs-Vorwürfen des türkischen Regierungschefs Erdogan ist Kommentarthema an diesem Montag. Ebenfalls Beachtung in der Tagespresse finden die Reformgespräche zwischen Bund und Ländern und die neuen Erkenntnisse zum Vergiftungsvorwurf in der Ukraine.

Zur jüngsten Kritik des türkischen Ministerpräsidenten an CDU und CSU schreibt die Zeitung DIE WELT:

"Wer die Aufnahmebedingungen in die EU als Diskriminierung empfindet, wer der Union vorwirft, sie mache einen Fehler, weil sie einen Beitritt der Türkei ablehne, zeigt, dass ihm das tiefere Verständnis dafür fehlt, was EU-Mitgliedschaft tatsächlich bedeutet. Ein Beitritt setzt die Bereitschaft voraus, Souveränität abzugeben und sich einzufügen in eine jahrzehntelang gewachsene Rechtsgemeinschaft. Schon der Prozess der Verhandlungen wird Ankara vor Augen führen, wie sehr die Türkei umgekrempelt werden muss. Diese Einsicht fehlt. Erdogan wähnt sich bereits am Ziel, wo die EU gerade erst ein Startsignal aussendet."

Ähnlich sieht es die WESTDEUTSCHE ZEITUNG:

"Der türkische Regierungschef spielt sich als moralische Instanz auf, die deutschen Politikern 'Diskrimminierung' vorwirft, verbittet sich selbst aber regelmäßig jede 'Einmischung in innertürkische Angelegenheiten'. Bis heute will er nicht einsehen, dass sein Ansinnen, in den europäischen Club aufgenommen zu werden, aus innertürkischen Angelegenheiten automatisch innereuropäische macht. Sollte es stimmen, dass Erdogan Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen in der Türkei als 'Terroristen' diffamiert hat, dann ist das nur noch mehr Wasser auf den Mühlen von Merkel und Stoiber."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beleuchtet angesichts von Reformanstrengungen in der Türkei die positiven Aspekte eines möglichen EU-Beitritts. Das Blatt schreibt:

"Die EU-Regierungschefs können die türkische Transformation nun festigen, indem sie bei ihrem Gipfel in dieser Woche Beitrittsverhandlungen mit Ankara eröffnen. Von der großen Mehrheit der Türken würde dies als heftig ersehnte Bestätigung dafür empfunden, dass sich ihr Land auf dem richtigen Weg befindet - aber auch als willkommene Absicherung dafür, dass es auf diesem Pfad bleibt."

Themenwechsel. Zu den Gesprächen zwischen Bund und Ländern über eine Reform des föderalen Systems in Deutschland konstatiert das HANDELSBLATT:

"Auf den letzten Metern ihres einjährigen Verhandlungsmarathons packt die Mitglieder der Föderalismuskommission der Ehrgeiz. Noch vor wenigen Wochen hätte es niemand für möglich gehalten, dass der EU-Stabilitätspakt mit seinen ungeliebten harten Verschuldungsgrenzen in das Grundgesetz aufgenommen würde. Doch genau dies haben die Verhandlungsführer, SPD-Chef Franz Müntefering und der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) jetzt erreicht: Die Länder übernehmen Mitverantwortung für die Staatsschulden."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU äußert sich kritisch zu den möglichen Ergebnissen der Föderalismusreform-Beratungen:

"Längst zeichnet sich ab, wie die Kommissionschefs Franz Müntefering und Edmund Stoiber sich ihre Föderalismusreform vorstellen. Und nicht ganz überraschend ist, was Stoiber schon als stolze Mutter aller Reformen herausstellt, ist bei genauerem Hinsehen bestenfalls ein schüchternes Mütterchen. Keine Reform des Föderalismus, nur eine Reform im Föderalismus, so wie er nun mal ist und bleibt. Eine Minimalkonsensreform, weil ja in Bundestag und Bundesrat zwei Drittel zustimmen müssen."

Schließlich noch zu den neuen Ermittlungen wegen eines möglichen Gift-Anschlags auf den ukrainischen Oppositionskandidaten Juschtschenko. Die OSTTHÜRIGER ZEITUNG kommentiert:

"Gift in der Soljanka für den Präsidentschaftsbewerber, das ist der Stoff, aus dem die Thriller sind. Für Viktor Juschtschenko ist solche unfassbare Gemeinheit erschreckende Realität geworden. Der 50-jährige Politiker ... ist zu bewundern. Die niederschmetternde Diagnose hat ihn nicht veranlasst, vorschnell politische Gegner für den Anschlag auf seine Gesundheit und sein Leben verantwortlich zu machen. ... (Es) gehört wenig Propheterie dazu, ihm vorauszusagen, dass er in 14 Tagen bei der Neuauflage der Präsidentenwahl in der Ukraine der große Favorit sein wird."