1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Montag, 12. Mai 2003

Susanne Eickenfonder11. Mai 2003

Eichels Sparpolitik gescheitert

https://p.dw.com/p/3ciu

Das Eingeständnis von Finanzminister Hans Eichel, mit seiner Sparpolitik gescheitert zu sein, ist das dominierende Thema der Kommentatoren der deutschen Tagespresse.

DIE RHEINPFALZ aus Ludwigshafen spricht von einem finanzpolitischen Offenbarungseid:

"Hans Eichel kann weder den prognostizierten Rahmen der
Neuverschuldung einhalten noch unterhalb der Maastrichter
Defizitkriterien bleiben noch 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Dass Eichel die bitteren Wahrheiten gerade jetzt unter das Volk streut, mag Zufall sein.(...) Der Kanzler und sein Kassenwart müssen die finanzielle Schieflage in ganz düsteren Farben malen. Nur so kann vermutlich die Einsicht im Volk gemehrt werden, dass dieses
Land viele Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt hat."

DER TAGESSPIEGEL in Berlin meint:

"Die Wahrheit kommt spät, aber nicht zu spät.(...) Das Szenario des Schreckens musste jetzt eröffnet werden, damit die Regierung nicht der Lüge bezichtigt wird. Zugleich ist es die Vorwarnung, dass miteinander noch ganz andere Grausamkeiten besprochen werden müssen."

Im KÖLNER STADT-ANZEIGER ist zu lesen:

"Lang, lang ist es her - da sprach Bundesfinanzminister Hans
Eichel von den zwei 'Leitplanken', die angeblich seinen Kurs
bestimmen: Einerseits beim Geldausgeben kräftig auf die Sparbremse treten, um die Schulden zurückzuführen. Andererseits die Steuern senken, um durch die nachfolgende Konjunkturbelebung Positives zu erreichen - sowohl für die öffentlichen als auch die privaten Kassen. Beide 'Leitplanken' liegen jetzt zertrümmert am Wegesrand."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU kommt zu dem Schluss:

" Einem Minister, der seiner eigenen Regierung fehlende tief greifende strukturelle Reformen' vorwirft und davon ausgeht, dass zentrale Entscheidungen gegen seinen erklärten Willen fallen können - einem solchen Minister bleibt eigentlich nur der Rücktritt.(...) Aber Eichel? Nicht einmal für den Fall einer Mehrwertsteuererhöhung droht er Konsequenzen an. (...) Der Minister hat Fehlentscheidungen nicht verhindert und kündigt an, dass er sie - Stichwort Mehrwertsteuer - auch künftig nicht verhindern wird."

In der THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt heißt es:

"Jetzt haben wir ihn endlich, den lang gesuchten Übeltäter. Eichel Hans heißt der Mann und hat unbemerkt ganz allein die schönen Milliarden verjuxt. Aus, vorbei.(...) Die kollektive Häme, in die das Land nach den Bekenntnissen des Ministers verfallen ist, trägt bereits krankhafte Züge. Da wollte einer wirklich durch Sparen die Finanzen sanieren, und alles freut sich, dass er gescheitert ist. (...) Derweil verrinnt die Zeit."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG weist darauf hin:

"Würde Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz an der Spitze dieses Ministeriums stehen, müsste er mit den gleichen Haushaltslöchern kämpfen. Auch die Union hatte weder im Wahlkampf noch danach Ansätze zu bieten, wie die rasant ansteigende Staatsverschuldung nachhaltig zu bremsen sei.(...) Die Rücktrittsforderungen sind vor allem deshalb überzogen, weil sich Eichel in diesen Zielen mit der Union
sogar einig ist: Irgendwann in einer fernen Zukunft soll der Staat keine Schulden mehr machen."

Ähnliche sieht dies die Zeitung DIE WELT:

" Das ist nicht Eichels, sondern der Offenbarungseid der rot-grünen Koalition. Die Bundesregierung muss eine sozial verwöhnte Bevölkerung dazu bringen, den Gürtel enger zu schnallen und wieder anzupacken wie in den fünfziger und sechziger Jahren. Dieses Ziel ist nur mit Mut und einem klaren, einfachen Konzept zu erreichen. An beidem fehlt es - und zwar nicht nur bei Rot und Grün, sondern auch bei der Union. Es geht nicht an, einige Steuern zu senken und andere zu erhöhen, Krankenkassenbeiträge zu verringern und Rentenbeiträge heraufzusetzen.(...) Es gibt nur noch einen Weg: nachhaltige Steuersenkungen auf allen Ebenen, verbunden mit entschiedenen Einschnitten bei den Sozialleistungen."