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Pressestimmen von Montag, 12. März 2007

Stephan Stickelmann11. März 2007

Entführung von zwei Deutschen im Irak / Terrordrohungen gegen Deutschland

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Islamistische Terroristen drohen in Videos mit der Ermordung deutscher Geiseln im Irak wie auch mit Anschlägen in der Bundesrepublik. Nur der Rückzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan könne dies verhindern.

Zunächst speziell zur Entführung im Irak. Die in Marl erscheinende RECKLINGHÄUSER ZEITUNG schreibt:

"Jede Möglichkeit, die Geiseln wieder frei zu bekommen, muss geprüft werden, daran besteht kein Zweifel. Doch ist dabei Fingerspitzengefühl gefragt. Politisch falsche Signale und der Eindruck von Erpressbarkeit müssen nach Kräften vermieden werden."

In der NEUEN WESTFÄLISCHEN aus Bielefeld heißt es:

"Unerträglich ist der Gedanke, deutsche Zivilisten müssten mit ihrem Leben den Versuch büßen, Frieden und Freiheit in umkämpfte Regionen zu bringen. Noch unerträglicher dann, wenn der Einsatz der Bundeswehr-Soldaten letztlich erfolglos bleibt und damit unnötig ist. Diese Zweifel aber gibt es. Glaubt die Bundesregierung wirklich, in Afghanistan mit militärischen Mitteln eine Demokratie errichten zu können? Glaubt sie wirklich, die partisanenhaft organisierten Feinde Warlords, Drogenbarone, religiöse Fanatiker bekehren zu können? Ein Ende der Bomben und des Blutvergießens ist kaum abzusehen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG konstatiert:

"Dieser erpresserische Menschenraub entführt auch den Staat - er entführt ihn in eine schon in der Mythologie als schier unlösbar geltende Situation. Dem Staat ergeht es nach der Verschleppung der zwei Deutschen im Irak und der Videoforderungen der Geiselnehmer, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, wie einst dem Odysseus in der Meeresstraße von Messina: links Skylla, rechts Charybdis. Weicht man der einen Gefahr aus, begibt man sich in die andere. Der Staat muss nachgeben und doch nicht nachgeben. Er muss standhaft sein, aber nicht starr. Er muss sich vor der Willfährigkeit gegenüber Entführern so hüten wie vor der Unbarmherzigkeit gegenüber den Opfern der Entführer."

Die Tageszeitung 20CENT aus Cottbus stellt die Entführung im Irak und die Terrordrohungen gegen Deutschland in einen Zusammenhang und meint:

"Die Video-Botschaften enthalten im Kern nichts Neues. Die Terroristen versuchen nur, die innerdeutsche Debatte über die Nato- Einsätze mit ihren perversen Machtphantasien zu verknüpfen. Darauf darf die deutsche Politik und die deutsche Öffentlichkeit nicht eingehen. So brutal das im Einzelfall auch ist, wir dürfen uns nicht von religiösen Faschisten einschüchtern und erpressen lassen. Würde die Bundesregierung nachgeben, wäre das eine Selbsterniedrigung unserer Demokratie, die von den totalitären Mördern als Erfolg verkauft würde."

Auch die HEILBRONNER STIMME ist der Ansicht:

"Wer glaubt, man könne El Kaida mit Zurückhaltung in Afghanistan oder dem Irak milde stimmen, ist so naiv wie der Biedermann gegenüber den Brandstiftern in Max Frischs Lehrstück. Deutschland muss jederzeit mit einem Anschlag rechnen. Nicht, weil es diese oder jene politische Entscheidung trifft, sondern einfach, weil es Teil der verhassten und verachteten westlichen Kultur ist. Auch die aktuellen Drohungen müssen ernst genommen werden. Nur erpressbar darf die Politik eben nicht werden. Das gilt auch für die im Irak entführten Geiseln."

Die ESSLINGER ZEITUNG bemerkt:

"Die Lage in Afghanistan hat sich dramatisch zugespitzt, und Deutschland bekommt es zunehmend mit den Auswirkungen zu tun. Es gerät stärker ins Fadenkreuz des internationalen Terrorismus, das Risiko für deutsche Soldaten und Helfer am Hindukusch steigt. Der Mord an einem Mitarbeiter der Welthungerhilfe vergangene Woche und die neuen Terrordrohungen sind nur die jüngsten Belege für eine Entwicklung, die sich seit längerem vollzieht. Verwunderlich ist nur, dass mancher in Deutschland überrascht reagiert."

Der WIESBADENER KURIER analysiert:

"Es gibt immer mehr Verbindungen zwischen irakischem und afghanischem Kriegsschauplatz. Durch die Infiltration von El Kaida in Irak ebenso wie durch neu geknüpfte Kontakte zwischen jeweils sunnitischen Saddamisten und Taliban. Die amerikanische Invasion Iraks strahlt inzwischen massiv auf die Situation in Afghanistan aus, die nach dieser Logik ebenfalls als ausländische Besatzung islamischer Gebiete empfunden wird. Ein Sumpf, in den die Bush-Administration all ihre Verbündeten mit hineingezogen hat."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG gelangt zu folgender Einschätzung:

"Dass Entführer im Irak den Abzug Deutschlands aus Afghanistan fordern, lässt den wachsenden Grad der Vernetzung islamistischer Extremisten und damit die Dimension des Einsatzes am Hindukusch ahnen. Aus der Sicht der militanten Vorkämpfer sind Afghanistan, Somalia, Irak oder Tschetschenien in der Tat nur Frontabschnitte ein und desselben Krieges. Der Tod des deutschen Entwicklungshelfers in Afghanistan und die angedrohte Ermordung der deutschen Geiseln im Irak könnten ein Hinweis darauf sein, welche Opfer noch zu erwarten sind, wenn bis zum militärischen Sieg über die Taliban gekämpft wird. Vielleicht - und hoffentlich - bekommt die deutsche Regierung die Entführten frei, ohne sich erpressen zu lassen. Nur, der nächste Fall ist allenfalls eine Frage der Zeit."