1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 7. Juni 2006

Oliver Schilling6. Juni 2006

Neuer Atom-Kompromiss-Vorschlag / Mikrozensus Migration, Familien mit Kindern

https://p.dw.com/p/8a5H
Im Atomstreit mit dem Iran haben die fünf Veto-Mächte im Weltsicherheitsrat und Deutschland einen neuen Kompromissvorschlag vorgelegt. Er wurde vom EU-Außenbeauftragten Javier Solana in Teheran der iranischen Regierung überreicht. Die iranische Seite wertete die Vorschläge als 'positive Schritte', die aber auch 'Zweideutigkeiten' enthielten.

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Potsdam merkt dazu an:

"Das Mullah-Regime erhält nukleare und andere Hochtechnologie für den Aufbau seiner maroden Wirtschaft und die zivile Nutzung der Kernenergie, wenn es auf die Anreicherung von Uran im eigenen Land verzichtet. Eines kann Solanas Offerte freilich nicht bieten: Die Bombe würde den Iran militärisch wie politisch unangreifbar machen, und es spricht derzeit wenig dafür, dass Präsident Ahmadinedschad auf diesen Trumpf verzichten wird. Deshalb wird sich an Solanas Angebot erweisen, ob es Teheran tatsächlich um seine Energieversorgung oder die geostrategische Vormacht am Golf geht."

Skeptisch zeigt sich die in Hamburg erscheinende FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND:

"Von den ungewohnten Harfenklängen aus Teheran sollte sich niemand betören lassen. Zu oft schon hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass hinter einem scheinbaren Entgegenkommen Irans nicht echter Wille zur Einigung stand, sondern das Bestreben, den Westen möglichst lang hinzuhalten. Wenn Iran tatsächlich an einer Verhandlungslösung interessiert ist, kann die Führung des Landes seine Ernsthaftigkeit auf einfache Weise unter Beweis stellen: Indem sie die Urananreicherung für die Dauer von Verhandlungen nachprüfbar aussetzt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU äußert sich erwartungsvoller:

"Es gibt wieder Hoffnung. Mit diesem Satz lassen sich die ersten Ergebnisse des Teheran-Besuchs von Javier Solana zusammenfassen. Dem ersten Außenpolitiker der EU ist nicht nur Verhandlungsbereitschaft signalisiert worden; Irans Chef-Unterhändler Ali Laridschani und danach Außenminister Manouchehr Mottaki bekundeten auch, sie sähen die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung des Atomkonflikts."

Der Berliner TAGESSPIEGEL befasst sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts:

"Eine kleine Drohung genügt, um den Ölpreis hoch zu treiben; zwei bis drei Dollar mehr pro Barrel spülen täglich Millionen zusätzlich in Teherans Kassen. Zudem eröffnet eine instabile Gemütslage im Westen Iran die Gelegenheit, weitere Zugeständnisse zu verlangen. Also werden die Mullahs sich Zeit lassen mit ihrer Antwort. Im Kern geht es ihnen weder um Ersatzteile für veraltete Boeing- und Airbus-Jets noch um die Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO, den Beipack nehmen sie natürlich gerne mit. Im Kern steht das Recht auf Urananreicherung."


In Berlin hat das statistische Bundesamt die Ergebnisse seiner jährlichen Haushaltsbefragung "Mikrozensus" vorgestellt. Aus der in 2005 durchgeführten Umfrage geht hervor, dass rund ein Fünftel aller in Deutschland lebenden Menschen einen so genannten Migrationshintergrund hat.

Die BERLINER MORGENPOST merkt dazu an:

"Wer auf Probleme mit Immigranten hinweisen will, kann nicht einfach von «Fremden» sprechen, sondern muss genau sagen, wen er denn meint. Deutlich wird auch, dass Integrationsprobleme nicht durch Zuzugsbeschränkungen zu lösen sind. Denn bereits jetzt überwiegen bei den Menschen mit Migrationshintergrund jene mit deutschem Pass, der Anteil der Neuankömmlinge sinkt immer mehr. Das heißt: Statt einer anderen Ausländerpolitik brauchen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag der hier Lebenden."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg wirbt für eine systematische Neuausrichtung der Integrationspolitik:

"Statistiken können Lebenslügen entlarven. Wie die der deutschen Bevölkerungspolitiker, wonach die Bundesrepublik kein Einwanderungsland sei. Der Mikrozensus belegt: Deutschland ist schon lange ein Magnet für Zuwanderer. Indem sie die Wahrheit allzu lange verleugneten, blockierten Politiker die Wahrnehmung deutscher Interessen. Statt Integrationskonzepte zu entwerfen, die im rauhen Alltag bestehen konnten, kuschelte man sich in Multikulti-Träumereien ein. Das Ergebnis: «Ehrenmorde» in Parallelgesellschaften mit anderen Werten. Zuwandererkinder ohne Aussicht auf Schulerfolg, Ausbildungs- oder Arbeitsplätze. Der Mikrozensus ist ein Weckruf."

Ein weiterer Schwerpunkt der jährlichen Haushaltsumfrage war der Rückgang der Familien mit Kindern in Deutschland.

Die PFORZHEIMER ZEITUNG macht hierfür vor allem gesellschaftliche Rahmenbedingungen verantwortlich:

"Viele Unternehmen weigern sich, Eltern Teilzeitarbeit anzubieten. Für Väter und Mütter bedeutet das Verzicht: entweder auf die Karriere - oder aufs Kind. Was weiterhilft sind Modelle, mit denen die Bedürfnisse des Privat- und Berufslebens besser vereinbart werden können - zum Beispiel durch flexiblere Arbeitszeiten."

Demgegenüber betont die KÖLNISCHE RUNDSCHAU, dass oftmals Individualismus der Familiengründung im Wege steht:

"Es sind bezeichnenderweise die Haushalte, deren Ausbildung und Einkommen Kindern einen prächtigen Start ins Leben verheißen würden, die sich dem Nachwuchs verweigern. Warum eigentlich? Weil Kinder Aufwand verursachen, Karriere erschweren, Lebensplanung verkomplizieren, die Unabhängigkeit einschränken - kurz: weil sie dem eigenen Egoismus im Wege stehen. [...] Mit Politik hat das alles gar nichts zu tun."