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Pressestimmen von Mittwoch, 31. März 2004

30. März 2004

Kompromiss zum Klimaschutz

https://p.dw.com/p/4qtr

Die Beilegung des wochenlangen Koalitionsstreits über den Handel mit Emissionsrechten ist das Hauptthema der Kommentare in der deutschen Tagespresse. Die Kommentatoren fragen einerseits, inwieweit der Kompromiss über die Reduzierung des CO-2 Ausstoßes dem Klimaschutz hilft und andererseits, was das Gerangel über den Zustand der rot-grünen Koalition aussagt.

Zunächst die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf:

"Monatelang hat der Streit zwischen den Ministern Wolfgang Clement und Jürgen Trittin um den Emissionshandel gedauert, um am Ende mit viel Tamtam einen lächerlichen Komrpomiss zu produzieren, der dem Klima nicht hilft : Dass Deutschland pro Jahr künftig zwei Millionen Tonnen weniger Kohlendioxyd produziert, dürfte den Treibhauseffekt kalt lassen; und auch in der Koalition werden die atmosphärischen Störungen nicht geringer."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG schreibt:

"Was Umweltminister und Vize-Kanzler in der nächtlichen Elefanten- Runde abgenickt haben, muss all jene bitter enttäuschen, die den Grünen wegen ihres Öko-Profils ihre Stimme gegeben haben. Spätestens jetzt haben es die Wähler schwarz auf weiß: Aus den engagierten und oft auch kompromisslosen Streitern für die ökologische Modernisierung des Landes, die einst erbitterte innerparteiliche Kämpfe austrugen, ist zumindest auf Regierungsebene eine Runde aus angepassten Karrieristen geworden. Verantwortung für das umweltpolitische Debakel trägt aber auch der Kanzler."

Die HEIBRONNER STIMME kommt zu dem Schluss:

"Der Streit um ein nachrangiges Detail wie die Obergrenzen für den CO-2-Ausstoß sagt viel über die Kräfteverhältnisse zwischen den Berliner Koalitionären aus. Für Schröder ist die einstige Öko-Partei, was die FDP für Helmut Kohl war: Eine arithmetische Größe, Mehrheitsbeschaffer, lästiges Übel. Selbst bei ur-grünen Themen gibt er den Takt vor. So durfte Clement ungestraft einen längst ausgehandelten Kompromiss wieder verwerfen. ... Bescheiden geworden, begnügen sich die Grünen mit der Rolle des Stallburschen."

Die "B.Z." aus Berlin fragt:

"Im Streit um den Abgashandel ein Kompromiss? Mitnichten. Trittin und den Grünen helfen keine Nebelkerzen: Sie haben eine deftige Niederlage erlitten. Dass Ökonomie und Ökologie einander ergänzten, nimmt ihnen angesichts anhaltender hoher Arbeitslosigkeit niemand ab."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kritisiert:

"Leider hat der zum Showdown zwischen Wirtschaftsminister Clement und Umweltminister Trittin hochstilisierte Konflikt den Sinn dieses Handelssystem völlig in den Hintergrund gedrängt. Zeitweise wurde da von interessierter Seite der Eindruck erweckt, Trittin habe einen teuflischen Plan entworfen, um die deutsche Wirtschaft zu martern. Es geht aber primär um die Erfüllung einer EU-Richtlinie, mit der die Kommission erstmals versucht, gegen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsländern vorzugehen."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT glaubt:

"Deutschlands Industrie kann mit dem Kompromiss leben, den Wirtschaftsminister Clement seinem Kontrahenten, Umweltminister Trittin, abgetrotzt hat. Ein dauerhaft wettbewerbsfähiger Energiemix ist in Deutschland aber noch nicht in Sicht. Clement ist weit entfernt davon, ein Energieprogramm präsentieren zu können, das den Produktionsstandort Deutschland sichert. Der sozialdemokratische Superminister hat durch sein Stehvermögen jedoch immerhin Schadensbegrenzung betreiben können. Trittins ökologische Erneuerungsinitiativen belasten die deutsche Volkswirtschaft mit knapp 20 Milliarden Euro pro Jahr."

Abschließend die FREIE PRESSE aus Chemnitz:

"Trittin hätte allerdings längst merken müssen, dass er nicht die Spur einer Chance gehabt hat, die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden. Clement erhielt in dem wieder aufflammenden Streit zwischen Ökologie und Ökonomie immer mehr Unterstützung. Dabei war es nicht die alte Frontlinie, an der sich Wirtschaftslobby und Umweltschützer unversöhnlich gegenüberstehen, sondern der Superminister bekam ebenso von Gewerkschaften und Länderchefs Beistand. Sie alle hatten die berechtigte Sorge, dass stärkere Umweltauflagen für die Industrie noch mehr Unternehmen dazu bringt, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern und damit die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland weiter ansteigt."

Ausgewählt von Ulrike Quast.