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Pressestimmen von Mittwoch, 28. September 2005

Frank Gerstenberg27. September 2005

Neue Doppelspitze bei den Grünen / Rot-Schwarze Annäherungen

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Die Grünen gehen mit einer neuen Doppelspitze in den nächsten Bundestag: Renate Künast und Fritz Kuhn führen künftig die Fraktion. Beide kündigten an, die Meinungsführerschaft unter den Oppositionsparteien erobern zu wollen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU prophezeit:

"Für das neue Führungsduo wird es ein Kampf gegen den Bedeutungs- Verlust. Von zwei Seiten bedrängt durch starke Konkurrenz, müssen die Grünen ihren Platz in der Opposition finden. Joschka Fischer hätte dort qua Person seine Duftmarken als Leitwolf setzen können. Seine nun gewählten Quasi-Erben werden sich nur behaupten können, wenn sie selbst und die Grünen ihre alte Angriffslust und Respektlosigkeit zurück gewinnen. Dabei werden sie auch den einstigen rot-grünen Koalitionspartner als Gegner antreffen. Von dem müssen sie sich nun freischwimmen eben so wie von Fischer."

Für die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera stehen die Grünen auch innerparteilich vor neuen Aufgaben:

"Die Partei hat zu ´Stars` ein zwiespältiges Verhältnis. Man setzt in der Phase nach Joschka Fischer auf Künasts Charisma. Aber ihr zur Seite stellen sie mit Kuhn einen, der dafür sorgen wird, dass sie nicht abhebt. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass den Parteichefs Roth und Bütikofer Steine vom Herzen gefallen sind. Wenn nicht in der Fraktion, hätte es zumindest Künast in der Partei probiert. In der Opposition, wo es wenig zu verteilen gibt, kommt es nun vor allem auf Teamfähigkeit und auf Integrationskraft an. Das ist die Messlatte für Kuhn wie Künast. Umweltminister Jürgen Trittin schlug sich achtbar aus der Affäre. Am Ergebnis liest man die Kräfteverhältnisse ab."

Der KÖLNER STADTANZEIGER sieht in naher Zukunft schwarz-grüne Gemeinsamkeiten:

"Die Grünen werden sich nicht neu erfinden müssen, aber sie werden sich neu finden müssen. Viele ihrer Themen werden bleiben. Die sieben Jahre Rot-Grün mit den zum Teil demütigenden Seitenhieben führender Sozialdemokraten aber lassen für die Grünen nur einen Schluss zu, um politisch handlungsfähig zu sein: Sie müssen sich zur Union hin öffnen. Bewahrung der Schöpfung, Sparsamkeit, intakte Heimat, gesunde Umwelt - bekannte Versatzstücke schwarz-grüner Gemeinsamkeiten. Die Möglichkeit, ein solches Experiment zu wagen, bietet Baden- Württemberg, wo 2006 gewählt wird. Dort hatte übrigens Fritz Kuhn schon 1990 von einem solchen Bündnis gesprochen."

Beinahe euphorisch begrüßt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf die Grünen in der Opposition und sieht ebenfalls blühende schwarz-grüne Landschaften:

"Rot-Grün ist mausetot. Doch die Grünen, die sind quicklebendig, wie die Neuwahl der Fraktionsspitze gestern zeigte. Ihre Perspektive, aus der Opposition heraus wieder zu einer bedeutenden Gestaltungs- kraft in Deutschland zu werden, ist hervorragend. Der Garant dafür hat einen Namen. Renate Künast. Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, neben dem ökologischen auch das bürgerliche Profil der Grünen zu schärfen und sie somit auf das erste schwarz-grüne Bündnis auf Länderebene vorzubereiten."

Mit dem nahe liegenden rot-schwarzen Bündnis auf Bundesebene befasst sich dagegen die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Immer häufiger beteuern beide Seiten, dass eine Einigung an den Inhalten nicht scheitern werde. Die Barrikaden des Wahlkampfes werden geräumt, Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt gerückt. Ist es nicht so, dass man bei der Reform des Gesundheitswesens zu gemeinsamen Lösungen kam? Und liegen vom Jobgipfel nicht noch Blaupausen parat, auf die man zurückgreifen kann? Über die Sachfragen zur Vernunft, das ist die beiderseits ausgegebene Parole. Die SPD löst sich unterdessen täglich ein Stück mehr vom Kanzleranspruch Schröders. Jetzt muss sich zeigen, ob die Union auch noch zu Frau Merkel steht, wenn der Machtanspruch des Kanzlers nicht mehr besteht."

Welche Rolle bei all dem Edmund Stoiber spielt, weiß die in Berlin erscheinende Zeitung DIE WELT immer noch nicht:

"Der Zauderer in München war vor der Wahl zu vorsichtig zu sagen, was er will, und ist es immer noch bis zu dem Punkt, wo aus Übertaktik Niederlage wird. Kanzler dürfte schwierig werden, Finanzen schließt er selber aus. Das Auswärtige wollen andere. Wirtschaft? Wer die EU-Kommission ausschlug, kann das nur als Hohn empfinden. Der Mann auf der Brücke ins Unbekannte muß abwarten, welche Parteien- konfiguration der Berliner Gemengelage entsteigt. Hofft er, dass, wenn Schröder fällt, Merkel folgen muß und der Rest sich wie von selbst ergibt? Das ist die logische Antwort doch davor stehen viele Wenn und Aber. Solche Rochade braucht kalten Mut und patriotische Vision. Beides fehlt."