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Pressestimmen von Mittwoch, 28. August 2002

zusammengestellt von Herbert Peckmann27. August 2002

Kritik an Irak-Politik der USA/Politische Folgen der Flutkatastrophe

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Die Irak-Politik der USA und die deutliche Kritik daran von Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie die politischen Folgen der Flutkatastrophe sind herausragende Kommentarthemen in deutschen Tageszeitungen.

Zum Verhältnis der USA zum Irak schreibt das Düsseldorfer HANDELSBLATT:

"... So scharf wie nie zuvor warnte (US-Vizepräsident) Cheney vor der tickenden nuklearen Zeitbombe in Bagdad, die nur die Option eines Präventivschlages zulasse. ... Trotz der scharfkantigen Zeichnung eines Feindbildes bleibt die Begründung des Vizepräsidenten in entscheidenden Punkten blass. ... Der Beweis einer Schnittstelle zwischen dem Regime in Bagdad und den Terroranschlägen vom 11. September wurde bislang nicht geliefert. ... Durch das neue Tempo in der Irak-Frage ist die internationale Gemeinschaft gezwungen, Farbe zu bekennen. Vor allem die Europäer müssen gegenüber den USA eine einheitliche Position beziehen. ... Angesichts der trüben Daten bei Wirtschaft und Arbeitsmarkt versucht Gerhard Schröder, mit amerikakritischem Zungenschlag wahltaktisch Punkte zu machen. Das ist zu wenig."

Auch die Berliner B.Z. sieht in der deutlichen Kritik des Kanzlers an der amerikanischen Irak-Politik eine Wahlkampf-Äußerung. Das Blatt schreibt:

"Wie in alten Juso-Zeiten beschimpft man die USA nicht mehr nur als Abenteurer, sondern bezichtigt sie sogar der Lüge. Dabei weiß jedes Kind, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt, herstellt und nach der Atombombe greift. Dass er Prämien in Höhe von 25.000 Dollar für die Hinterbliebenen der Selbstmordattentäter auslobt, müsste eigentlich schon für ein klares Urteil reichen. Angesichts der drohenden Wahlniederlage lässt Rot-Grün jetzt alle Skrupel fallen. Und setzt voll auf die Karte des Anti-Amerikanismus. Wie wollen Schröder und Fischer eigentlich im Falle eines zwar unwahrscheinlichen Wahlsieges im Verhältnis zu Washington weitermachen?"

Fast eine Antwort hierauf ist der Kommentar der TAZ:

"Kommt es tatsächlich zu einem militärischen Schlagabtausch zwischen Israel und Irak, werden nicht nur die USA in diesen Krieg hineingezogen, sondern auch Deutschland und andere EU-Länder, die bislang noch eine Beteiligung ablehnen. Auch ein am 22. September in seinem Amt bestätigter Kanzler Schröder wird seinen 'deutschen Sonderweg', sollte dieser tatsächlich mehr als nur ein leeres Wahlkampfversprechen gewesen sein, dann nicht mehr durchhalten können."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG analysiert:

"Die Regierung Bush ist innenpolitisch getrieben. Nach der Florida-Auszählung auf immer belastet vom Trauma der illegitimen Präsidentschaft hat George Bush einen gewaltigen innenpolitischen Rechtfertigungszwang. Jede politische Initiative, jede Rede, jede Entscheidung wird zunächst auf ihre innenpolitische Tragfähigkeit geprüft. Der 11. September hat Außenpolitik zur Innenpolitik gemacht, und deshalb ist selbst die Auseinandersetzung um einen möglichen Irak-Krieg ein zutiefst innenpolitisches Thema."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht dies anders:

"Wer das Hauptmotiv für die hartnäckige Weigerung der Amerikaner, in Saddam Hussein den harmlosen Gesellen zu erkennen, im Kongress-Wahlkampf gefunden haben will, täuscht ... sich und andere. ...Und ein weiterer einfacher Zusammenhang muss der rot-grünen Regierung wohl noch einmal dargelegt werden: Wer wie sie alles dafür tun will, dass Saddam die UN-Inspekteure wieder ins Land lässt, sollte ihm nicht gleichzeitig den Eindruck vermitteln, dass seine fortgesetzte Weigerung folgenlos bliebe."

Schließlich noch zwei Stimmen zu den politischen Folgen der Flutkatastrophe. Zunächst die LÜBECKER ZEITUNG:

"Niemand weiß bislang, wie groß die Schäden sind. Niemand weiß, wofür Versicherungen aufkommen und wofür nicht. Aber Schröder stellt bereits einen Blanko-Scheck aus. Selbstverständlich muss den Betroffenen schnell und großzügig geholfen werden. Aber nicht mit vorschnellen Vollkasko-Versprechen, wie es sie noch nicht gegeben hat. Das ist Wahlkampf-Populismus."

Nachdenklicher die NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

"Fast 13 Jahre nach der Wende, in denen sich Deutschland-Ost und Deutschland-West mehr oder weniger bequem in ihren jeweiligen Parallelwelten eingerichtet hatten, ohne wirklich zusammenzuwachsen, hat die Flut dafür gesorgt, dass die beiden Landesteile vielleicht endlich zueinander gefunden haben. Tausende Helfer aus dem Westen verbrachten ihren Sommerurlaub in diesem Jahr nicht auf den Balearen, sondern in den neuen Bundesländern, um mit den Einheimischen gemeinsam bis zum Umfallen zu schuften."