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Pressestimmen von Mittwoch, 28. April 2004

zusammengestellt von Walter Lausch. 27. April 2004

Gutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute/ Keine Lieferung der Hanauer Atomfabrik nach China/ Gaddafi-Besuch in Brüssel

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Das Frühjahrsgutachten der führenden deutschen Wirtschafts- forschungsinstitute steht im Mittelpunkt dieses Blickes auf die Kommentare der Mittwochsausgaben der Tageszeitungen. Die VOLKSTIMME aus Magdeburg schreibt zu diesem Thema:

"Gestern haben die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Rein von den Zahlen scheint die deutsche Wirtschaft auch dieses Jahr nicht aus dem Knick zu kommen. Abgesehen davon, dass die Differenz volkswirtschaftlich nicht so sehr ins Gewicht fällt, es hätte auch schlimmer kommen können. Der über Monate starke Euro, der deutsche Waren im Ausland drastisch verteuerte, auf höchstem Niveau verharrende Benzin- und andere Rohstoffpreise sowie teils deftige Tarifabschlüsse - manch andere Volkswirtschaft wäre da längst in die Knie gegangen. Im Umkehrschluss zeugt dies auch von einer gewissen Robustheit, die sich die Unternehmen in Deutschland im Laufe der letzten Krisenjahre antrainiert haben."

Der MANNHEIMER MORGEN sieht die Politik gefordert:

"Um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und die Staatsfinanzen halbwegs zu konsolidieren, braucht Deutschland deutlich stärkeres Wachstum - nicht nur über ein, zwei Jahre, sondern länger. Die Politik kann das nicht erzwingen, aber doch begleitend unterstützen. Im Moment allerdings sieht es eher danach aus, als kehre die Koalition zurück zur Politik der ruhigen Hand. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe: So gut wie vertagt. Ein einfaches, transparentes Steuersystem? So fern wie Gerhard Schröders Wiederwahl. Was das alles mit dem Aufschwung zu tun hat? Sehr viel. Wenn die Wirtschaft nicht von selbst auf die Beine kommt, muss die Politik mit anschieben. Und nicht bremsen."

Das Düsseldorfer HANDELSBLATT argumentiert ähnlich:

"Es ist verständlich, dass eine Partei im Reformstress vor weiteren Bemühungen zurückschreckt. Doch es ist irrational. Dem Wachstum in Deutschland und sich selber würde die SPD nur einen guten Dienst leisten, wenn sie die Unsicherheit zerstreuen würde. Sie muss den Sack zubinden, sprich: die Veränderungen deutlich machen, die in den nächsten Jahren noch notwendig sind, um mehr Wachstum zu erreichen. Schreckt sie davor zurück, werden Käufer- und Wählerstreik sich fortsetzen."

Die Karlsruher Tageszeitung BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN hat wenig Zukunftshoffnungen:

"Die ständige Diskussion um Zehntelpunkte Wachstum zeigt, auf welch tönernen Füßen die wirtschaftliche Gesundung steht. Zu viele Parameter sind nicht abzuschätzen und können nicht nur die Bilanzen der Unternehmen über Nacht verhageln. Weiter anziehende Öl- und Stahlpreise sind Gift für die deutschen Unternehmen und dämpfen den ohnehin schwachen Konsum. Die Deutschen zahlen zur Zeit für Sprit so viel wie nie zuvor. Und ein Ende der Fahnenstange ist nicht zu sehen."

Ein weiteres Thema der Kommentatoren ist der gescheiterte Verkauf der Hanauer Atomfabrik nach China. Die Analyse der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Der Sieger im fein gestrickten Spiel heißt Joschka Fischer. Er hat das vom Kanzler voreilig zugesagte Projekt nach dem Prinzip «Totprüfen» de facto einstweilen beendet. Über den politischen Preis, den die Grünen zahlen, etwa beim Klimaschutz, muss man nicht lange spekulieren. Es gibt ihn, ohne dass er exakt zuzuordnen wäre. Und die Chinesen? Sie erweisen sich in Geschäftsfragen wieder einmal als Realisten. Ihr rücksichtsloser Atomkurs wird fortgeführt, so wichtig ist Berlin nicht. Aber Rot-Grün ist haarscharf an der Glaubwürdigkeitsfalle vorbeigetappt, die dem Kanzler kein Problem zu sein schien."

In Brüssel wurde der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi demonstrativ freundlich empfangen. Für die Hamburger FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND hätte es nicht so herzlich sein müssen:

"Mit einem Händedruck hat EU-Kommissionspräsident Romano Prodi den 'Revolutionsführer' Muammar al-Gaddafi feierlich als ehrbaren Staatsmann rehabilitiert. Wenn nun noch die letzten Streitfragen - etwa die Entschädigung der Opfer des La-Belle- Attentats von 1986 - ausgeräumt werden, und Libyen alle Massenvernichtungswaffen zerstört hat, wird die Uno ihr Embargo aufheben. Gaddafi hat dann die Rückkehr in die Weltgemeinschaft erreicht - und der Westen auf den Erfolg seiner Realpolitik verweisen. Angesichts seiner früheren Verwicklungen in den internationalen Terrorismus mutet es allerdings seltsam an, dass der libysche Diktator nun in Brüssel fast als guter alter Freund empfangen wird. Ganz so herzlich hätte die Umarmung Gaddafis in Brüssel dennoch nicht ausfallen müssen."