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Pressestimmen von Mittwoch, 27 April 2005

zusammengestellt von Martin Muno26. April 2005

Frühjahrsgutachten / EU-Verfassung

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Die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr drastisch nach unten korrigiert. Dass sie nun nicht mehr 1,5 Prozent Wachstum erwarten, wie noch im Herbst, sondern nur noch 0,7 Prozent, beschäftigt die Leitartikler genauso wie das Treffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac zur Europapolitik. Zunächst jedoch zum Frühjahrsgutachten.

Dazu schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Dieses Land hat ein Struktur- und ein Konjunkturproblem. Nur eine Kombination aus Angebots- und Nachfragepolitik führt aus der Krise heraus. So viel Pragmatismus ist in den USA und Großbritannien eine Selbstverständlichkeit, in Deutschland aber ein Tabu."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG heißt es:

"Im Frühjahrsgutachten kann Schröder nachlesen, warum seine Bemühungen (um einen Konjunkturaufschwung) ohne Erfolg geblieben sind. Zu spät, zu zaghaft, zu punktuell und zu widersprüchlich, lautet das Urteil. Hinzu kamen übertriebene Heilsversprechen der Politik, deren Nichteinhaltung stets neue Unsicherheit schürt. Statt sich dieser Kritik zu stellen, lenkt die Bundesregierung ab. Ihre Attacken auf Wirtschaftsakteure, denen sie das Leben schwer macht, werden nicht lange folgenlos bleiben."

Ähnlich trist sieht es der Kommentator der WELT:

"Wenn eine Wirtschaft trotz Exportrekord gerade mal auf 0,7 Prozent Wachstum kommt, dann muss einem angst und bange sein. Denn der nächste weltwirtschaftliche Abschwung ist absehbar. Und woher soll dann Wachstum kommen? Die Antwort kann nur im inländischen Konsum liegen. Doch die Regierung und auch eine konzeptionslose Opposition tun zu wenig dafür."

Die BERLINER ZEITUNG sieht Kanzler Schröder als Hauptschuldigen:

"Die wahre Ursache für die ökonomische Krise Deutschlands ist: Wirtschaftspolitik unter SPD-Kanzler Schröder, das war programmierte Unstetigkeit, zuerst aus Leichtfertigkeit, später zunehmend aus politischer Schwäche, immer aber aus konzeptioneller Planlosigkeit. Anfangs wusste der Kanzler nicht, was er wollte, dann wollte er was, wusste aber nicht wie viel er seinen Sozialdemokraten zumuten durfte. Heute weiß er nicht, wie lange sie ihn noch lassen."

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg geht auf den Versuch Schröders ein, den französischen Präsidenten in seinen Bemühungen um die Zustimmung der Bevölkerung zur EU-Verfassung zu unterstützen. Wir lesen:

"Gestern versuchten sich Jacques Chirac und Gerhard Schröder als EU-Animateure. Beide machten in Paris Stimmung gegen das drohende 'Non' der Franzosen beim Referendum in vier Wochen. Ihre Argumente waren richtig, doch ist es fraglich, ob sie zünden werden. Eine Abfuhr für Europa ausgerechnet in einem seiner Kernländer würde das Projekt lähmen. Doch vielen Franzosen ist das egal. Sie erwägen, ihrer Regierung eine Ohrfeige zu geben, selbst, wenn sie dabei Europa enthaupten."

Die in Rostock herausgegebene OSTSEE-ZEITUNG bemerkt:

"Frankreichs Wähler haben Angst vor einer überdehnten Gemeinschaft, fürchten sich vor Billiglohnimporten, sind verärgert über das oft so bürgerferne 'Raumschiff Brüssel' und frustriert über den Teuro. Das Referendum über die Verfassung, die in Wirklichkeit nur wenige kennen, kommt vielen Franzosen deshalb gerade recht, um endlich ihren Frust kundzutun. Eine Verfassung kann noch so perfekt formuliert sein. Wenn sie die Herzen der Bürger nicht erreicht, wird sie letztlich abgelehnt."

Zum Schluss noch ein Blick in die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt, die vor Gefahren für Europa warnt, wenn die Verfassungsdebatte scheitert:

"Es sind nicht mehr nur Japan oder die USA die großen anderen Zentren. Die Globalisierung schweißt große Teile Asiens und ganz Nordamerika zusammen. China und Indien werden als künftige Giganten das bisherige Gleichgewicht völlig verändern. Wer sich da jetzt in Europa um seine Nestwärme sorgt und die Türen vor der neuen Entwicklung verschließt, wird bald frierend aufwachen. Ganz egal, ob als Franzose, Brite oder Deutscher."