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Pressestimmen von Mittwoch, 24. Mai 2006

Martin Muno23. Mai 2006
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Im Blickpunkt der Kommentatoren steht an diesem Mittwoch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Einschränkung der Rasterfahndung nach mutmaßlichen islamistischen Terroristen und der Kongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz geht auf den Richterspruch aus Karslruhe ein und schreibt:

"Egal wie groß die Bedrohung für Staat und Gesellschaft auch sein mag, ihre Bekämpfung muss ohne Wenn und Aber auf der Grundlage des Grundgesetzes erfolgen. Nur so kann sich unsere Demokratie ihre Legitimation als Rechtsstaat erhalten. Der Einsatz der so genannten Rasterfahndung nach den Attentaten vom 11. September 2001 war nicht gerechtfertigt weil die Bedrohungslage hierzulande nur allgemein war, eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter nicht bestanden habe. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel."

Das sieht die LANDESZEITUNG aus Lüneburg ganz ähnlich - Zitat:

"Die Rasterfahndung ist durchs Raster rechtsstaatlichen Handelns gefallen - zu Recht. Das Veto der Verfassungshüter gegen die allzu breit angelegte Sammlung und Verknüpfung von Daten ohne vorliegende konkrete Gefahr bremst all jene aus, die im Windschatten des Antiterrorkampfes leichtfertig demokratische Grundrechte aushöhlen. Wie notwendig die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts ist, belegt der Jahresbericht von amnesty international: Danach werden die Menschenrechte im Zeichen des Antiterrorkampfes auch auf dem Kontinent relativiert, der der Welt die Demokratie schenkte: Europa."

In der Berliner TAGESZEITUNG, kurz TAZ, heißt es:

"Was für ein gigantischer Fehlschlag! Die bundesweite Rasterfahndung nach den Al-Qaida-Anschlägen von New York und Washington war schon kriminalpolitisch eine Enttäuschung, denn sie brachte fast keine Ergebnisse. Und nun wurde sie vom Bundesverfassungsgericht auch noch für verfassungswidrig erklärt. Vermutlich fiel den Richtern diese Entscheidung auch deshalb leicht, weil sie eine so nutzlose, ja geradezu schädliche Polizeimaßnahme betrifft."

Zustimmung findet der Richterspruch auch beim HANDELSBLATT:

"Die Gefahren für die Freiheit sind vielleicht weniger greifbar als die Angst vor Terror. Aber dafür umso realer: Durch die Rasterfahndung kann man sich mit ganz unschuldigen Dingen, mit der bloßen Ausübung seiner Grundrechte, urplötzlich und unkontrollierbar verdächtig machen. (...) Am Ende des Weges steht die unfreie Gesellschaft. Das hat das Gericht, allen Zeitgeistströmungen zum Trotz, fest im Blick. Dafür gebührt ihm Respekt."

Kritik an den Karlsruher Richtern kommt lediglich von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Die aufwendige Rasterfahndung mag - spätestens jetzt - eine polizeiliche Maßnahme von gestern sein. Die wiederholt heruntergeleierten Sätze aus dem Volkszählungsurteil sind von vorgestern, auch in ihrem unkritischen Gebrauch kann eine Gefahr liegen."

Themenwechsel: Nur 78 Prozent Zustimmung für DGB-Chef Sommer - seine bisherige Vize Engelen-Kefer in der Stichwahl durchgefallen. Auf die Wahlen zum neuen Vorstand des Deutschen-Gewerkschaftsbundes geht die Zeitung DIE WELT ein:

"Jetzt ist endlich offenbar, was lange unter der Oberfläche gebrodelt hat: Der DGB ist ein fragiles Konstrukt - die Autorität der Gewerkschaftsfürsten bröckelt rasant. (...) Die Wahlen verliefen ganz anders, als die Bosse geplant hatten. Aber sie waren ehrlich."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es:

"Das Erfreuliche an den Personalquerelen ist, dass die Basis nicht mehr alles klaglos akzeptiert, was ihr die Bosse vorsetzen. Das ist schon alles, was sich an Positivem sagen lässt."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU bemerkt:

"Das ganze Chaos um die nur knapp gescheiterte Kampfkandidatur von Ursula Engelen-Kefer ist eine kräftige Ohrfeige der Basis für die selbstherrliche Art, mit der die beiden einzigen Machtzentren in der Gewerkschaftsbewegung, IG Metall-Chef Jürgen Peters und Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske, ihre Personalwünsche durchdrücken wollten. Wirklich geschadet hat das aber vor allem dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer persönlich, der als Autorität auf dem Kongress ein Totalausfall ist."

In der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG lesen wir:

"Die rüde Art, in der die bisherige stellvertretende Vorsitzende Engelen-Kefer demontiert und abserviert wurde, stieß vielen Delegierten so sauer auf, dass sie auf die sonst übliche Geschlossenheit pfiffen. Hinter dem Frust über Personalien steckt freilich auch tiefes Unbehagen in der Sache. Der Gewerkschaftsbund steckt in der Krise."

Die STUTTGARTER ZEITUNG blickt auf die Hauptverliererin:

"Engelen-Kefers Kompetenz ist unbestritten. Nie ist dies den Gewerkschaftern so deutlich geworden wie in den vergangenen Wochen. Doch die nun Abservierte demonstrierte, wie man in wichtigen öffentlichen Ämtern deformiert wird."

Der MANNHEIMER MORGEN würdigt Engelen-Kefer:

"Sie mag in vielem eine Frau der Vergangenheit gewesen sein, die einen Sozialstaat retten wollte, der so nicht mehr finanzierbar ist und neu justiert werden muss. Nur eines war sie nie: Eine angepasste Schweigerin, die klein beigegeben hätte. Ihre Nachfolgerin Ingrid Sehrbrock ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Zwar ist sie als CDU-Mitglied eine wichtige Brücke zwischen der Einheitsgewerkschaft und der regierenden Union, doch an Profil muss sie erst noch gewinnen. Wie der gesamte DGB-Vorstand."

Das sieht die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG ganz anders:

"Ursula Engelen-Kefer war längst eine Funktionärin mit Tunnelblick. Und hätte sie nicht mit Tricks und Drohungen ihre subjektiv empfundene Unersetzlichkeit zum Maßstab aller Dinge gemacht, hätte sie zusammen mit Bernhard Jagoda nach der Statistik-Affäre ihre Ämter in Nürnberg wie im DGB aufgeben müssen."