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Pressestimmen von Mittwoch, 24. Juli 2002

zusammengestellt von Hanns E. Petrik.23. Juli 2002

DIE THEMEN: Lage in Nahost / Diskussion um Hartz-Vorschläge / Der Rücktritt in Potsdam

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Der jüngste Angriff Israels in Gaza beschäftigt die meisten Kommentatoren der Zeitungen an diesem Mittwoch. Aber auch die andauernde Diskussion um die Hartz-Kommission und der Rücktritt von Brandenburgs Justizminister sind Themen der Leitartikler. Zunächst in den Nahen Osten.

Dazu lesen wir in den "STUTTGARTER NACHRICHTEN":

"Mit dem verheerenden Angriff der Israeli befindet sich der Nahe Osten wahrscheinlich wieder am Anfang einer unbegreiflichen Gewaltspirale, und es ist zu befürchten, dass in den kommenden Wochen auf beiden Seiten wieder viel Blut fließen wird. Die Antwort palästinensischer Extremisten wird nicht lange auf sich warten lassen. Ariel Scharon allerdings sieht die Dinge wieder einmal anders als der Rest der Welt, die den Luftangriff einhellig auf das Schärfste verurteilt. In der Manier eines eingefleischten Militärs lobte der israelische Ministerpräsident den Angriff und die gezielte Tötung des Hamas-Extremisten Schehade. Sehr wahrscheinlich ist allerdings, dass dieser Sieg in den kommenden Wochen noch viele Menschen das Leben kosten wird."

Und ganz ähnlich bewertet die "LEIPZIGER VOLKSZEITUNG" die jetzt entstandene Lage:

"Israels Regierungschef Scharon hat mit der Praxis der gezielten Tötung mutmaßlicher Gewalttäter und der Zerstörung der palästinensischen Infrastruktur bei gleichzeitiger Ablehnung politischer Lösungen eine strategische Entscheidung getroffen, die auf Gewalt setzt. Dieser ebenso verkürzten und zynischen Sicht erscheinen Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung als zwar bedauernswerte, gleichwohl entschuldbare Kolalateralschäden - gedeckt durch das Recht auf Selbstverteidigung. Die bewusste Inkaufnahme von unschuldigen Toten ...ist jedoch keine Verteidigung der israelischen Sicherheit, sondern das Gegenteil: die Fortsetzung von Gewalt und Gegengewalt."

Schliesslich dazu noch ein Kommentar der "FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND":

" «Selbstverteidigung» nennt die israelische Regierung die Bombardierung in Gaza...Militärisch mag die Aktion ein «großer Erfolg» sein, doch politisch und menschlich ist sie ein Desaster. Premier Ariel Scharon betont stets, dass die Armee sich moralischen Grundwerten unterwerfe. Mit der Bombardierung aber hat sie den Tod vieler Unschuldiger in Kauf genommen. Die Grenze der Verhältnis- mäßigkeit wurde überschritten - mit schwerwiegenden Folgen für Israels Demokratie und Glaubwürdigkeit. Der Verdacht liegt nahe, dass der vorsichtig begonnene Dialog nicht erwünscht ist."

Themawechsel und zur Diskussion über den Arbeitsmarkt. Die "WELT" in Berlin meint:

"Die Hartz-Vorschläge sind längst zur beliebig dehnbaren Folie für Gerhard Schröders Wahlkampfauftritte geworden - dafür war die gestrige Zwischenbilanz wieder ein eindrucksvoller Beleg. Der Kanzler kommt, der Kanzler prüft, der Kanzler wird bewerten - und der Kanzler sagt nichts. Weder über neue Zumutbarkeitsgrenzen noch über die Mini-Jobs. Kein Wort zur Kritik der Gewerkschaften oder der Wirtschaftsverbände. Nichts zum Osten, nur Wolkiges zum Zeitplan. Irgendwann nach der Wahl soll irgendwas geschehen, was den Kanzler mit Zuversicht erfüllt und die Wähler ihm einfach glauben müssen. Das politische Gesamtkunstwerk Gerhard Schröder darf nur noch in toto bewundert werden."

Die Rolle des Kanzlers analysiert auch die "NORDSEE-ZEITUNG" in Bremerhaven kaum anders:

"Die Hartz-Kommission hat sich von Schröder instrumentalisieren lassen. Der Regierungschef schmückt sich bei jeder Gelegenheit mit den Reformern, um so sein Macherimage wiederzugewinnen und die sich abzeichnende Wahlniederlage doch noch zu verhindern. Dieser Kanzler ist zur Reform bereit, lautet die Botschaft, die möglichst jeden Tag unters Volk gestreut werden soll. Die Tatsache, dass die Kommission ihre Arbeit noch gar nicht abgeschlossen hat und es in einigen Punkten unter den Mitgliedern Differenzen gibt, spielt da nur eine nebensächliche, störende Rolle."

Zum Schluss noch ein Wort zum Rücktritt des Justizministers von Brandenburg - die Berliner "B.Z." sieht das so:

"Ein Rücktritt in Wahlkampfzeiten wiegt schwer. Dennoch hat Brandenburgs Justizminister Kurt Schelter richtig gehandelt. Die öffentlich erhobenen Vorwürfe zu seinen Immobiliengeschäften - Gehaltspfändungen, Unregelmäßigkeiten bei der Steuer - ließen ihm auch keinen anderen Ausweg. Der Fall Schelter belastet das Koalitions-Klima in Brandenburg. Immerhin hat ein SPD-naher Regierungssprecher, Erhard Thomas, öffentlich Gerüchte über den CDU-Minister Schelter bestätigt. Das wird mehr als nur ein juristisches Nachspiel haben. Brandenburgs Koalition steht wieder mal vor einer Nagelprobe, nur dass der Ministerpräsident jetzt Platzeck heißt."