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Pressestimmen von Mittwoch, 23. Mai 2007

Gerhard M Friese22. Mai 2007

Sicherheitsvorkehrungen G-8-Gipfel / Doping im Radsport

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Die Debatte um die Sichertheitsvorkehrungen anläßlich des G-8-Gipfels und die Lage nach den Doping-Beichten deutscher Radsportprofis bestimmen an diesem Mittwoch die Kommentare deutscher Tageszeitungen. Zunächst zum G-8-Gipfel.

Die BERLINER MORGENPOST verteidigt die Sicherheitsmaßnahmen:

'In einem Rechtsstaat gehört es zu den Pflichten der Sicherheitsbehörden, so früh wie möglich gegen die einzuschreiten, die das Recht auf friedlichen Protest missbrauchen wollen. Vor dem G- 8-Treffen in Heiligendamm haben die Behörden davon reichlich Gebrauch gemacht. Der Vorwurf, sie wollten damit alle Demonstranten kriminalisieren, kommt einer ebenso gezielten wie böswilligen Unterstellung gleich. Wer noch immer Zweifel hegt, dass militante Gruppen willens sind, sich gewalttätig in die Demonstrationen einzumischen, dem sei die Lektüre von Polizeiberichten empfohlen.'

Der MANNHEIMER MORGEN argumentiert ähnlich:

'Eine starke Demokratie braucht sich nicht mit Stacheldraht einzuigeln, aber sie muss sich vor jenen hüten, die sich nicht an die Spielregeln halten. Hier hat der Rechtsstaat eine Güterabwägung vorzunehmen. Wer will schließlich das Risiko eingehen, dass es militanten Gipfelgegnern gelingen könnte, aus dem Schutz friedlicher Demonstrationen heraus den Tagungsort zu attackieren? Aber so kann man dem Staat einen Strick daraus drehen: Errichtet er einen Damm gegen den Mob, der den demokratischen Konsens missbraucht, schafft er gleich die Grundrechte ab.'

Die Hannoversche NEUE PRESSE meint dagegen:

'Wenn sich die mächtigsten Männer und Frauen treffen, um über die Zukunft der Welt zu beraten, müssen sie sich auf Protest einstellen. Diesen hinter einen Sicherheitszaun zu verbannen und weitflächige Demonstrationsverbote auszusprechen, ist fragwürdig. Die Protestszene mit lächerlichen Schnüffelaktionen verunsichern zu wollen, ebenso... Da fragt man sich, warum die Gipfelstürmer nicht offene Videokonferenzen veranstalten. Das kostet keine Millionen, Protestler bleiben draußen. Gemeinsam frühstücken kann man dann ja privat. '

Die STUTTGARTER ZEITUNG geht noch einen Schritt weiter:

'Man mag darüber streiten, wie sinnvoll und kriminalistisch Erfolg versprechend solche Methoden sind. Darauf kommt es überhaupt nicht an. Es gibt in einem Rechtsstaat einige Dinge, die man schon aus Gründen der politischen Hygiene und der demokratischen Etikette nicht tun sollte. Das Sammeln der Gerüche ihrer Bürger gehört dazu. Wenn es daran je einen Zweifel gegeben haben sollte: allein schon die Erinnerung an die DDR verbietet eine solche Praxis. Bemerkenswert ist schon, dass ausgerechnet der Bundesanwaltschaft das Gespür dafür verloren gegangen ist.'

Und der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER resümiert:

'Die Dimension der Sicherheitsvorkehrungen stimmt ebenfalls nachdenklich - sie erinnert teilweise an Methoden der DDR- Staatssicherheit. Wenn sich die Mächtigen der freien Welt einsperren lassen müssen und eine maximale Präsenz der Staatsmacht benötigen, um in entspannter Runde beraten zu können, dann zeigt dies auch die zunehmende Entfremdung der Regierenden von den Regierten. '

Das zweite wichtige Thema ist die Lage nach den Berichten der deutschen Radsportler Bert Diez und Christian Henn über ihre Doping-Geschichte.

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth sieht noch einen Hoffnungsschimmer:

'Der Profi-Radsport ist mit Doping-Präparaten durchseucht. Wer nicht spritzt oder schluckt, hat kaum noch eine Chance, vorne mitzufahren. Doch nur wenn der Radsport selbst frei werden will von Doping, kann ein Neustart gelingen. Es geht um die Zukunft einer Sportart, die lange begeistert, zuletzt aber immer häufiger frustriert hat. Jetzt muss der Doping-Sumpf trockengelegt werden. Damit der Radsport überleben kann.'

Die Berliner Zeitung DIE WELT hält dagegen:

'In allen Bewegungssportarten sind die Grenzen bei der Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit offenbar erreicht. (...) Der Zeitpunkt scheint absehbar, an dem weitere Leistungssteigerungen ohne den Einsatz von Drogen nicht mehr möglich sind. Das würde diesem Hochleistungsschauspiel sein bisheriges Ziel nehmen - der Welt-'Rekord' ist also dabei, als solcher schon verdächtig zu werden. Was wir gerade im Radsport erleben, ist dazu geeignet, unser bisheriges Verhältnis zum Leistungssport grundlegend zu verändern. Wenn wir unsere ethischen Maßstäbe nicht über den Haufen werfen wollen, sollten wir uns an diesen Gedanken gewöhnen.'

Und auch der Berliner TAGESSPIEGEL warnt vor zu großen Erwartungen:

'Es ist verlogen, dem Publikum weiszumachen, es sei möglich, nach immer größeren Leistungen zu streben und gleichzeitig eine große Familie zu bleiben, in der Werte wie Fairness und Verständigung mehr zählten als anderswo und in der es besonders um Gesundheit gehe. Leistungssport hat mit Gesundheit so viel zu tun wie Rauchen mit Atemgymnastik. Vor allem muss sich der Sport kleinere Ziele setzen. Er sollte sich nicht vornehmen, Doping zu besiegen, sondern den Rückstand auf die Betrüger zu verringern; mit Hilfe besserer Kontrollen, mit der Wissenschaft und der Polizei.'

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg macht klar:

'Schuld haben alle: Sponsoren, die Erfolge sehen wollen; das öffentlich- rechtliche Fernsehen, das nur auf die Quote schielt und die Tour mitfinanziert; die Zuschauer, die sich lediglich für Helden interessieren; Teamchefs, die ihren Athleten Druck machen; Sportfunktionäre, die wegschauen. Und wie Kriminelle müssen Ärzte behandelt werden, die gesundheitsschädliche Mittel verabreichten. Die ganze Szene ist krank...'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg hofft auf Hilfe gerade aus dieser Ecke:

'Warum weiter Gebührengelder für diese Leistungsschau der Pharma-Industrie verprassen? Ein Ausstieg von ARD und ZDF aus den Live-Übertragungen zum Beispiel bei der Tour der France wäre ein Signal. Ein solches könnte auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) kommen. Den einschlägig aufgefallenen Gewichthebern hat es bereits mit dem Ausschluss von Olympischen Spielen gedroht, an den Pedaleuren sollte es dieses Exempel nun statuieren. '