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Pressestimmen von Mittwoch, 22.Mai 2002

zusammengestellt von Gerd Winkelmann 24. Mai 2002

Bush-Besuch zwischen Protest und Solidarität/ Möllemann zwischen Kalkül und Antisemitismus/ Scharon zwischen Neuwahl und Palästinenser-Aufstand

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Dem Besuch von US-Präsident George Bush eilen die überwiegend kritischen Demonstrationen auf Berlins Straßen voraus - keine Frage, ein wichtiges Thema in den Meinungsspalten der deutschen Tagespresse
an diesem Mittwoch. So meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Vor einem Dreivierteljahr gingen in Berlin 200.000 Menschen auf die Straße, um den USA nach den Anschlägen vom 11. September Solidarität zu bekunden. Seinerzeit fand die Veranstaltung das Richtige Maß aus vorbehaltlosem Mitgefühl und der mahnenden Bitte, jetzt nicht aus Rache die Welt in Flammen zu setzen. Diesmal muss der Protest erkennbar werden lassen, dass er ein Protest aus grundsätzlicher Verbundenheit heraus ist. Leider ist zu befürchten, dass dieses Kunststück nicht gelingt."

Der Kölner EXPRESS schreibt:

"Zehntausende machten in Berlin mobil gegen Bush. Ein Indiz für einen wachsenden Antimerikanismus in unserem Land? Nein, es ist wohl eher der Unmut über einen Präsidenten, der sich gern durch selbstherrliches Gehabe und martialische Sprüche hervortut. Eine Alternative zu der Allianz mit der Weltmacht gibt es trotz dieser Irritationen aber nicht. Denn Deutschland ist genauso im Visier des Terrorismus wie Amerika. Das heißt zwar nicht, dass wir alles schlucken müssen, was uns der zuweilen schwierige Freund zumutet. Wir sollten aber nie vergessen, dass ohne diesen Freund der Kampf gegen den weltweiten Terror nicht zu gewinnen ist."

Noch ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder:

"Berlin und die anderen europäischen Metropolen täten gut daran sich zu erinnern, dass es nicht die amerikanische Stärke, sondern die europäische Schwäche ist, die Washington auf der internationalen Bühne zu erdrückender Dominanz verholfen hat, dass sie zum Beispiel ohne Unterstützung der USA auf dem Balkan bei der Lösung eines inner-europäischen Konfliktes kläglich gescheitert wären. Die elitäre Arroganz, mit der Europäer Amerikanern gerne begegnen, ist also gänzlich unangebracht. Wie es für die Deutsche speziell gänzlich unangebracht ist zu vergesen, welche Rolle Amerika mit seinem Präsidenten George Bush sen. während der deutschen Wiedervereinigung gespielt hat. In der Politik Dankbarkeit einfordern zu wollen, wäre naiv. Aber ein wenig Fairniss wäre schon angebracht."


Für die LÜBECKER NACHRICHTEN ist der Fall Möllemann der Dauer- Brenner dieser Tage:

"Möllemann zündelt ungerührt weiter. Was er sagt, ist nicht antisemitisch. Aber er beatmet Ressentiments. Die Unbeirrbarkeit, mit der er das tut, spricht für Methode. Für seinen Wahlkampf-Fetisch 18 Prozent nimmt Möllemann sogar Anleihen bei Rechtspopulisten. So scheint es jedenfalls. Dass dabei der Rivale Westerwelle um mehr als 18 Prozent schrumpft, dürfte ihn noch zusätzlich anspornen."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn widmet in dieser Frage den koalitionspolitischen Konsequenzen:

"Schröder hat an Rot-Grün keinen Zweifel gelassen. Und trotz des ausdrücklichen Verzichts der FDP auf eine Koalitionsaussage, trotz der Ausrufung Westerwelles zum Kanzlerkandidaten zeichnen sich auch bei der Opposition immer deutlicher die sattsam bekannten Konturen eines "Lagerwahlkampfs" ab. An dieser Konstellation wird sich wohl nur etwas ändern, falls der 22. September allen Beteiligten einen Strich durch die Rechnung macht und sie zwingt, die Karten ganz neu zu mischen. Turbulenzen wie sie die Möllemann/Karsli-Affäre der Freidemokraten hervorgerufen hat, werden am Lagerverhalten von Union und FDP letztlich nichts ändern. Der nach Karslis Aufnahme öffentlich geäußerte Zweifel des CDU-Generalsekretärs an der Koalitionsfähigkeit der Liberalen, sollte nicht überbewertet werden."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU widmet sich der Regierungskrise in Israel:

"Die religiös-sephardische Klientelpartei Schas hat schon manchem israelischen Premier das Leben schwer gemacht, egal welcher politischen Couleur. (...) Auch Ariel Scharon hat das nun bitter zu spüren bekommen. Trotz leerer Kassen besteht Schas auf finanziellen Extras, die sich Israel nicht mehr leisten kann. (...) Ob Neuwahlen, Koalitionsumbau oder Versöhnung mit einer auf Normalmaß gestutzten Schas-Partei - Scharon muss keine der sich ihm bietenden Optionen wirklich fürchten."