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Pressestimmen von Mittwoch, 21. Juli 2004

Gerd Winkelmann 20. Juli 2004

Schilys Afrika-Lager / Arbeitszeit-Debatte / Deal im EU-Parlament

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Der Vorschlag von Bundesinnenminister Otto Schily, in Nordafrika Auffanglager für Flüchtlinge einzurichten, ist auf Kritik gestoßen. Politiker und Hilfs-Organisationen warnten vor einer weiteren Abschottung Europas. So kommentiert etwa die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG dazu an diesem Dienstag:

'Das Institut Asyl soll ausgelagert werden. Die EU zahlt dafür, dass das Asyl dort hinkommt, wo der Flüchtling herkommt. Schutz gibt es nicht mehr in Deutschland und nicht mehr in der EU, sondern allenfalls weit weg, weit weg auch von der Kontrolle durch Justiz und Öffentlichkeit: in Flüchtlingslagern in Afrika. (...) Aus den Augen aus dem Sinn. So kann man sich der Illusion hergeben, das Welt-Armutsproblem mit administrativen und abschreckenden Maßnahmen im Griff zu behalten: Wohlstand bleibt drinnen, Elend draußen. Indes wird die Mauer aus Paragrafen und Lagern so wenig halten, wie alle anderen Mauern der Geschichte gehalten haben. Sie fördern nur den Irrglauben, Reichtum nicht teilen zu müssen.' Die TAGESZEITUNG aus Berlin meint dazu:

'Die Idee verstößt nicht von vornherein gegen internationales Recht. Dennoch ist die Idee nicht gut. Man darf bezweifeln, dass in der libyschen Wüste ein adäquates Prüfverfahren durchgeführt werden kann. Kaum zu glauben, dass es die EU schafft, dort qualifizierte und unabhängige Anwälte sowie psychosoziale Betreuung sicherzustellen. Auch ist nicht damit zu rechnen, dass mit dem Blair-Plan die unkontrollierte Einwanderung wirklich gestoppt werden kann. Wer in Europa ein neues Leben beginnen will, wird dann direkt in die Illegalität einwandern.'

Die Diskussion um Arbeitszeiten und Löhne geht weiter, auch in der deutschen Tagespresse. So lesen wir anlässlich eine neuen Studie in der Münchner 'TZ':

'Wir sind Freizeit-Weltmeister -- zu viel Urlaub, zu viele Feier- Tage, - arbeiten zu wenig, kosten zu viel. Deshalb müssen wieder 40, ja 50 Stunden her (...). Flexibel sein -- das Gebot der Stunde! Die wirkliche Arbeitswelt sieht ganz anders aus. 42 Stunden in der Woche sind oft die Regel, oft auch durch unbezahlte Überstunden. Tarifverträge erlauben jetzt schon, die Arbeitszeit den Betriebs-Bedürfnissen anzupassen. (...) Die Flächentarifverträge sind Unternehmen schon lange ein Dorn im Auge. Jedes Arbeitgeberherz würde höher schlagen, wenn ohne die lästigen Gewerkschaften entschieden würde, wer wie wann wie lange arbeiten muss. Steter Tropfen höhlt den Stein -- hier hoffentlich nicht.'

In der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG aus Düsseldorf lesen wir:

'Was viele Manager vor allem in mittelständischen Unternehmen ebenso wie die Betriebsräte längst wissen, ist jetzt durch eine Studie belegt: Die Deutschen arbeiten viel, im Durchschnitt jedenfalls mehr, als es die Flächen-Tarifverträge vorsehen. Gerade in kleineren Betrieben gehören Mehrleistungen, oft genug auch unbezahlt, zum Alltag. Mag diese Studie auch ein wenig zur Versachlichung der Debatte beitragen, beenden wird sie sie nicht. (...) Flächendeckende unbezahlte Mehrarbeit hilft zwar kurzfristig der Bilanz und mag die Aktionäre freuen, einen Ausweg aus der aktuellen Misere weist sie nicht: Die Binnenkonjunktur tritt auf der Stelle, der Konsum schrumpft immer weiter.'

Zum Schluss noch einen Blick in die Tageszeitung DIE WELT, die zur Wahl des EU-Parlaments-Präsidenten folgendes schreibt:

'Die Mehrheit der Straßburger EU-Parlamentarier gibt all jenen Recht, die vor fünf Wochen nicht zur Wahl gegangen sind. Ein Parlament, das sich als Teil jener Kungelei konstituiert, die es kontrollieren soll - ein solches Parlament muss man nicht wählen. Statt, wie üblich, den Parlamentspräsidenten aus der größten Fraktion zu erwählen - in Straßburg die konservative -, wurde mit Josep Borrell ein Sozialist gewählt. Der soll zwei Jahre im Amt bleiben, ehe dann ein Konservativer an die Reihe kommt. Der Grund für diese Absprache zwischen Sozialisten und Konservativen ist die Rücksichtnahme auf eine andere Absprache. Nämlich auf die der Regierungschefs, die sich mit Mühe auf den Portugiesen José Manuel Barroso als neuen Präsidenten der Kommission einigten. (...) So hat das Parlament seine Legitimation, die seit der Europawahl ohnehin beschädigt ist, nun auch selbst infrage gestellt.'