1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 21. August 2002

Reinhard Kleber20. August 2002

Finanzierung der Beseitigung der Hochwasserschäden / Banken fahren Kreditvergabe zurück

https://p.dw.com/p/2Zgy

Die Kommentarspalten der Tageszeitungen werden von der Debatte über die Frage dominiert, wie die Beseitigung der Hochwasserschäden bezahlt werden soll. Ein weiteres Thema ist die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt zum Streit über die Finanzierung der Hilfsmaßnahmen für die Hochwasser-Opfer:

"Die vorherrschende Stimmung im Land ist das Bedürfnis, den Opfern zu helfen. Wenn Stoiber mäkelt, der Mittelstand werde erneut benachteiligt, so verkennt der Kandidat: Den Menschen ist nicht nach kleinlichem Aufrechnen zumute. Wenn sie schon keine Sandsäcke schleppen, so wollen sie wenigstens einen finanziellen Beitrag leisten. Dass die Konzerne dabei besser wegkommen, ist in diesen Zeiten das geringste Ärgernis. Fiskalisch wäre es ohnehin ziemlich belanglos, ob die Körperschaftssteuer vorübergehend um ein oder zwei Prozentpunkte steigt. Der Preis einer solch vermeindlich gerechten Lösung wäre jedoch hoch. International hätte die deutsche Steuerpolitik jede Glaubwürdigkeit verloren."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder merkt an:

"Die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform ist Gift für die Wirtschaft. Sie ist ebenso Gift für die ohnehin gebeutelten Lohn- und Einkommenszahler, deren unerträgliche Abgabenlasten verlängert werden und denen der Staat wieder einmal in seiner Not in die Taschen greift. Es ist keine Solidarität für 'alle' bei der Bewältigung der Flut, zum Beispiel nicht für Leistungsempfänger oder Kapitalgesellschaften. Wenn Unions-Kanzlerkandidat Stoiber hier 'sozial Schieflagen' sieht, ist dies ein verständliches (Wahlkampf-) Argument und keine 'demagogische Steuerlüge', wie SPD-Fraktionschef Stiegler meint."

In der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG aus Düsseldorf lesen wir zum neuen Streit über die Vertagung der Steuerreform:

"Die verschobene Steuerreform hat nach den schrecklichen Tagen und Bildern von der Katastrophe an deutschen Deichen wieder zu einer Flut an Stimmungsmache geführt - schließlich ist Wahlkampf. Die Bürger sehen dies aber nach Umfragen ganz «cool», zwei Drittel unterstützt die Regierungspläne. Volkswirte sehen diesen Vorgang vom nicht eingehaltenen Steuersenkungs-Versprechen aber ganz anders. Der Berliner «Verschiebebahnhof» ist eine verkappte Steuererhöhung und Gift für die Konjunktur. Für die Bewältigung der Flutschäden, die natürlich eine nationale Aufgabe ist, hätten sich elegantere Lösungen angeboten."

Die Tageszeitung DIE WELT übt in dieser Frage grundsätzliche Kritik an Regierung und Opposition:

"Ganz gleich, wo der Staat wirklich dringend gebraucht wird - wo er einmal war, soll er sich nicht mehr zurückziehen, niemals und nirgendwo. So verhalten sich Regierung und Union, wie sich im Privaten niemand verhalten würde. Wer plötzlich ein neues Auto braucht, weil das alte zusammengebrochen ist, der verschiebt den Möbelkauf oder streicht die Ferienreise - weil er mit dem, was er hat, auskommen muss. Anders der Bund. Anstatt in einem Etat von 248 Milliarden Euro auf die Suche nach sechs bis sieben Milliarden zu gehen, holt er sich wie selbstverständlich frisches Geld, indem er eine dringend notwendige Steuersenkung vertagt."

Die BERLINER ZEITUNG richtet ihr Augenmerk auf die Haltung des Kanzlers:

"Schröder hat alle Vorteile des Handelns auf seiner Seite. Er hat sie genutzt. (...) Schröders Betroffenheit über die Lage wirkt echt. Seine Reaktion ist entschlossen. Schröder ist ein intuitiver Politiker. Zur Intuition gehört Sicherheit. Selbstsicherheit, Machtsicherheit, Instinktsicherheit. Darüber verfügt der amtierende Kanzler ganz offenbar mehr als der Herausforderer. Bei Edmund Stoiber verfestigt sich der Eindruck, er sei in seiner neuen Rolle nicht authentisch."

Zum Schluss zitieren wird die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND mit einer Stellungnahme zur wachsenden Vorsicht der Banken bei der Vergabe von Krediten:

"Die Deutschen sparen, aber sie investieren nicht. Während die private Sparquote seit Mitte vergangenen Jahres wieder steigt, halten sich die Unternehmen mit Erneuerung und Ausbau zurück. Wer trotzdem expandieren will, stößt auf ungewohnte Probleme: Vor allem Mittelständler beklagen immer öfter, dass Banken ihnen die kalte Schulter zeigen. Die Kreditklemme droht zu einem ernsten strukturellen Wachstumshemmnis in Deutschland zu werden. (...) Ein Aufschwung, der von steigenden Investitionen getragen werden müsste, wird sich so nicht entwickeln. Für die Konjunktur ist das ein Alarmsignal."