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Pressestimmen von Mittwoch, 20. September 2006

Ursula Kissel19. September 2006

Libanon-Einsatz deutscher Soldaten / Ausschreitungen in Ungarn

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Die Entscheidung des Deutschen Bundestages zum Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten und die Ausschreitungen in Ungarn sind wichtige Themen in den Kommentaren der deutschen Tageszeitungen. Zunächst zum Nahost-Einsatz der deutschen Soldaten:

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN sind der Ansicht:

"So viel ist klar: Die Bundeswehr braucht einen langen Atem. Das befristete Mandat bis August 2007 wird für einen Frieden schaffenden Einsatz kaum ausreichen. Und gerade weil diese Mission so große Gefahren birgt, sollten auch den Zweiflern ernsthafte Motive für ihr Nein unterstellt werden. Die Regierung wäre klug beraten, nun rechtzeitig ein klares politisches Signal nach innen zu setzen. Wer die Bundeswehr in den Libanon und an andere Krisenherde dieser Welt schickt, der muss dafür Sorge tragen, dass die Truppe angemessen finanziert und ausgerüstet wird."

Die KIELER NACHRICHTEN schreiben:

"Erstmals werden deutsche Soldaten in den Nahen Osten geschickt, auf eine Mission, deren Erfolg und Ende keineswegs absehbar sind. Als Oppositionspartei könnten es sich die Grünen einfach machen und diesen Tabubruch ablehnen. (...) Doch die Grünen verzichten auf den billigen Populismus eines Oskar Lafontaine ebenso wie auf die Grundsatzkritik eines Guido Westerwelle. Fraktionschef Fritz Kuhn sieht den Kernbereich deutscher Interessen berührt. Die Grünen beweisen mit ihrer Zustimmung Verantwortung in der Opposition."

Zur Haltung der FDP bei der Bundestagsdebatte äußert das HANDELSBLATT aus Düsseldorf:

Die Grenze zum Absurden überschreitet der FDP-Chef, wenn er fordert, erst müsse es eine politische Lösung des Nahostkonflikts geben, müsse der Hass enden, dann könne man über eine militärische Komponente sprechen. So viel Naivität mag man der FDP nicht abnehmen."

Die Münchner ABENDZEITUNG gibt zu bedenken:

"Leichten Herzens geht niemand in den Libanon-Einsatz, dafür ist die Mission zu heikel. Gegenargumente soll man deshalb ernst nehmen, und die der FDP verdienen diesen Respekt auch. Nur einer Überprüfung halten sie nicht stand. Zu behaupten, der Einsatz der Bundeswehr in Nahost zerstöre Vertrauenskapital, greift zu kurz. (...) Parteichef Westerwelle will sich um jeden Preis absetzen von der Regierungspolitik, sei sie richtig oder falsch."

Die BADISCHE NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe glauben:

"Das robuste Mandat verleiht den Bundeswehrsoldaten die nötige Autorität und lässt keinen Zweifel an der Entschlossenheit des Einsatzes aufkommen. In der vollkommen destabilisierten Region des Nahen und Mittleren Ostens, in der sich durch den umstrittenen Irakkrieg die Kräfteverhältnisse dramatisch zu Gunsten des unberechenbaren Iran verschoben haben, setzt die Weltgemeinschaft ein lautes Ausrufezeichen."


Themenwechsel. In der ungarischen Hauptstadt Budapest hat das Bekanntwerden von Wahlkampflügen des Ministerpräsidenten Gyurcsany schwere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei ausgelöst. Dazu die Pressestimmen:

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen ist der Meinung:

"Die Bilder sind eindrucksvoll. Man denkt an den Volksaufstand der Ungarn 1956, macht sich die Forderungen nach Rücktritt des Ministerpräsidenten zu eigen, denn der Regierungschef hat dreist gelogen und so schäbig seine Wahl gesichert. Junge Demokratien brauchen verantwortliche Politiker und keine Lügner. Doch was hat Ministerpräsident Gyurcsany genau getan? Er ist intern mit sich und seiner Partei ins Gericht gegangen. Das wurde öffentlich gemacht und hat Unruhen ausgelöst."

Skepsis ist von der Berliner TAGESZEITUNG zu hören:

"Die Bilder von brennenden Autos und gewalttätigen Randalierern, die in Budapest die Fernsehstudios kurz und klein schlagen, vermitteln kein realistisches Bild von den Protesten der letzten Tage. Stadtbekannte Hooligans nutzten den Anlass, um sich einmal richtig auszutoben. Mit der Empörung über die Rede von Premier Ferenc Gyurcsány hat das eher wenig zu tun. Aber die politische Krise ist real. Doch es ist eine Glaubwürdigkeitskrise, die nicht nur die Regierenden, sondern auch die Opposition betrifft."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock ist überzeugt:

"Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd, sagte Otto von Bismarck (...) einst. Der «Eiserne Kanzler» hat post mortem wieder einmal Recht bekommen, wie der jüngst ruchbar gewordene Skandal um den ungarischen sozialistischen Premier Ferenc Gyurscany belegt. (...) Viele Volksvertreter glauben offenbar, man müssen den Wählern erzählen, was sie hören wollen. Dazu gehören kaum haltbare Versprechen."

Warnende Töne kommen von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"Weder die Lage im Lande noch die Ziele der Randalierer taugen als Anknüpfung an die heldenhaften Tage vor fünfzig Jahren. Jetzt geht es nicht um den Kampf gegen eine Diktatur und deren ausländische Schutz- und Besatzungsmacht. Jetzt geht es um ein Reformprogramm, das die Demonstranten in seinen Einzelheiten gar nicht kennen. Die Regierung Gyurcsány ist kurz nach ihrer Bestätigung in Parlamentswahlen in eine Krise geraten, die sie aber ohne weiteres bestehen kann."

Die NÜRNBERGER ZEITUNG ist sich sicher:

"Hätte es in Budapest nicht 200 Verletzte gegeben, käme fast ein wenig Neid auf. Beim EU-Neuling empörte sich das Volk spontan, nachdem es mitbekommen hatte, wie schamlos es von der Regierung belogen worden war. Das war Emotion pur (...) In Deutschland hätte sich der Bürger eher resigniert zurückgelehnt als auf die Straße zu gehen."