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Pressestimmen von Mittwoch, 20 April 2005

zusammengestellt von Gerd Winkelmann19. April 2005

Der neue Papst

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Der neue Papst Benedikt XVI. hat sich am Dienstagabend wenige Minuten nach seiner Wahl auf dem Petersplatz erstmals den Gläubigen gezeigt. Er sei ein 'einfacher und bescheidener Arbeiter', sagte der Deutsche Joseph Ratzinger auf dem Mittelbalkon des Petersdoms. Zehntausende jubelten ihm zu. Die deutsche Presse beurteilt die Wahl Ratzingers an diesem Mittwoch in ihren Kommentaren wie folgt:

'Jetzt', so schreibt etwa die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg, 'also doch Joseph Karl Ratzinger, der konservative Kardinal aus Bayern. In nur zwei Tagen entschieden sich die Mitglieder des Konklaves für: Tradition, Kontinuität, Standhaftigkeit - aber auch gegen innerkirchliche Reformen. Denn Ratzinger steht innerhalb der katholischen Kirche gegen jeglichen Modernismus. Der 78-Jährige tritt damit im doppelten Sinne das Erbe Johannes Paul II. an.'

Im MINDENER TAGEBLATT lesen wir:

'Das Beispiel des in seiner Glaubensstrenge unbeirrbaren Johannes Paul II. hat gezeigt, dass theologische Differenzen und persönliche Popularität sich nicht ausschließen müssen. Auch andersherum wird freilich ein Schuh draus: noch so viel persönliche Popularität und geradezu verehrte Autorität haben nicht verhindern können, dass ein großer Teil der Gläubigen weltweit in zentralen moralischen Fragen nicht nur anderer Meinung als die Kirchenführung ist, sondern sich in der Lebenspraxis auch herzlich wenig um deren Forderungen schert. Diesen Widerspruch aufzulösen, dürfte einem Papst wie Benedikt XVI. besonders schwer fallen'.

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam schreibt:

'Die Überraschung besteht erst einmal darin, dass Joseph Ratzinger tatsächlich zum Papst gewählt wurde, obwohl sein Name stets als einer der ersten fiel, wann immer es um die Nachfolge von Johannes Paul II. ging. Die Erfahrung lehrt doch, dass die zuerst gehandelten Kandidaten keine Chance haben. Nicht weniger überraschend erscheint, dass ein Deutscher Papst geworden ist - angesichts der belasteten Geschichte dieses Volkes.'

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG gibt folgendes Urteil ab:

'Joseph Ratzinger wird weniger durch sein Handeln, wie der polnische Papst, als durch sein Reden überzeugen. Er ist - wie mancher Bundespräsident - ein glänzender Rhetoriker, der nicht nur sein Milliarden-Volk faszinieren wird, sondern die Welt. Ein Ruck wird durch die Kirche gehen, weil er wortgewaltig nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen, sondern die großen Werte zeigen wird.'

Hier ein Blick in die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven:

'Im Vorfeld der Wahl war spekuliert worden, Ratzinger sei der kleinste gemeinsame Nenner der Kardinäle. Ein Übergangspapst sozusagen, der wegen seines hohen Alters nur wenige Jahre amtiert, in denen sich neue Mehrheiten in der Kurie gefunden haben. Doch das könnte sich bald als großer Irrtum erweisen.'

Der TRIERISCHE VOLKSFREUND schreibt:

'Es geht in einer Zeit des Werteverlusts und der Verunsicherung um kirchliche Einheit und Kontinuität. Für diesen Auftrag hätten die Kardinäle niemand besseren finden können als Joseph Ratzinger. In Italien ist Ratzinger bereits vor dem Konklave mit großem Zuspruch und Begeisterung bedacht worden. In Deutschland selbst wird es dazu wohl noch eine Weile brauchen, allzu tief ist der Name Ratzinger in die Schublade des Konservativen geschoben worden.'

Der Kommentator der KÖLNISCHEN RUNDSCHAU meint:

'Wie stets ist der Papstname Programm. Benedikt XV. leitete die Kirche zu Zeiten des I. Weltkriegs, der ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts, nach dessen Ende sich die Welt machtpolitisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich grundlegend verändert hatte. Nicht wenig spricht dafür, dass die Kurie den derzeitigen Zustand der Menschheit in ähnlich desolater Lage sieht.'

Zu guter Letzt die Einschätzung der STUTTGARTER ZEITUNG:

'Insbesondere an der Kirchenbasis in Europa wird die Entscheidung für Ratzinger schwer zu vermitteln sein. Das liegt nicht an dem manchmal verzerrten Urteil über seine Person. Ratzinger ist ein differenziert denkender, hochgebildeter, im kleinen Kreis auch liebenswürdiger Mensch. Er kennt den Vatikan wie kaum ein anderer und ist durchaus auch für überraschende Gedanken gut. Doch eines unterscheidet ihn fundamental von seinem Vorgänger: Ein Menschenfischer ist er nicht.'