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Pressestimmen von Mittwoch, 2. März 2005

zusammengestellt von Gerhard M Friese 1. März 2005

Arbeitsmarktzahlen

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Das beherrschende Thema der Kommentare deutscher Tageszeitungen sind an diesem Mittwoch die neuesten Arbeitsmarktzahlen. 5,2 Millionen Menschen waren im Februar ohne Arbeit, das ist Nachkriegsrekord.

Dazu schreiben die KIELER NACHRICHTEN:

"Es sind Tage wie diese, die die Bürger vor der Politik erschaudern lassen. Die Zahl der Arbeitslosen steigt so hoch wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik, aber Regierung und Opposition stürzen sich in eine verbale Schlammschlacht, die ihresgleichen sucht. Mit unterirdischer Polemik soll die Mutlosigkeit verdeckt werden, die Rot-Grün und Union gleichermaßen erfasst hat. Beide Seiten scheuen davor zurück, den Bürgern die ganze Wahrheit zu sagen. Die Furcht der Politik ist zwar berechtigt, dass man damit Wahlen verlieren kann. Aber eine Opposition, die sich davor versteckt, ist nicht bereit, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Und eine Regierung, die von den Unternehmern mehr Patriotismus fordert, aber selbst die Arbeit einstellt, ist scheinheilig."

Auch der Bonner GENERAL-ANZEIGER sieht die Probleme der Politik:

"Zugleich nimmt die Politik der untätigen Hand, der Verzicht auf weitere Zumutungen, den Bürgern nicht die tief sitzenden Sorgen und Verunsicherungen. Besonders erstaunlich ist das nicht. Eine Regierung, die nicht handelt, die die Dinge treiben lässt, ist eine schwache Regierung. Eine schwache Regierung aber ist denkbar ungeeignet, die unter einer zähen Schicht Zukunftsangst vergrabenen Rohstoffe Zuversicht und Optimismus zu fördern."

Die BERLINER ZEITUNG fordert:

"Es gibt viel Sinnvolles, das Rot-Grün auf die Schnelle tun könnte. Wer aber wirklich auf Dauer Arbeitslosigkeit abbauen will, der muss mehr tun, als erste Hilfe verordnen oder Symptome bekämpfen. Nichts spricht dagegen, wenn Schröder versucht, Wirtschaft und Arbeitsmarkt mit kleinen Hilfen in Gang zu bringen. Für eine Trendwende allerdings muss Rot-Grün auch die unangenehmen Operationen wieder offensiv in Angriff nehmen. Die SPD vermag eine Ruhepause vertragen, das Land verträgt sie nicht."

Neue Initiativen sieht auch die STUTTGARTER ZEITUNG nicht:

"Nirgendwo ist ein halbwegs schlüssiges Konzept erkennbar, wie diesem Land aufzuhelfen ist. Die Union hat ihre hochfliegenden Pläne zerredet und diskreditiert sich als Alternative überdies durch die Haushaltspolitik, die sie in ihren Ländern betreibt. Rot-Grün fühlt sich nach der Kraftanstrengung mit Gesundheits- und Rentenreform sowie vor allem nach Hartz IV zu schwach, um neue Reformen zu stemmen. Und der SPD fällt nichts anderes ein, als wieder einmal über ein Konjunkturprogramm nachzusinnen."

Solchen Programmen erteilt die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung HANDELBLATT ein klare Absage:

"Tatsächlich ist ein Comeback der keynesianischen Makropolitik das Letzte, was Deutschland braucht. Ein staatliches Konjunkturprogramm wäre unnötig, wirkungslos und kontraproduktiv. An der strukturellen Arbeitslosigkeit ändert auch ein großes Nachfrageprogramm nichts. Das hat das Jahr 2004 gezeigt, in dem der Export-Boom uns einen milliardenschweren 'Wachstumsimpuls' bescherte."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht das Problem woanders:

"Den Unternehmen geht es mittlerweile blendend. Ihre Gewinne steigen, auch weil sie die Gewerkschaften weitgehend entmachten und in Tarifverhandlungen oder Betriebsvereinbarungen zu immer größeren Zugeständnissen zwingen konnten... Selbst die konservative britische Zeitschrift Economist sang kürzlich ein Loblied auf die Bundesrepublik. Gleichwohl bleiben neue Arbeitsplätze Mangelware. Dies hat einen einfachen Grund, den die Ideologen der Angebotspolitik beharrlich aus ihrem Blickfeld ausblenden: die mangelnde effektive Nachfrage."

Und die Berliner Zeitung NEUES DEUTSCHLAND meint:

"Natürlich muss man der Politik - egal welcher Couleur - vorwerfen, nicht genug getan zu haben, um Unternehmen zu zwingen, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Oder Sanktionen zu errichten, die Entlassungen erschweren. Oder mit Steuern eben keineswegs zu steuern. Sozial- wie christdemokratische Politik ist wahrlich nicht schuldlos, dass aus dem vermeintlich scheuen Reh Kapital inzwischen ein dreistes Raubtier wurde. Dem sind Arbeitsmarkt und Wahltaktik schnuppe, solange es nur genug reißen kann - egal, wer gerade den hilflosen Dompteur spielt."