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Pressestimmen von Mittwoch, 11. Oktober 2006

Reinhard Kleber 10. Oktober 2006

Putin-Besuch in Dresden / Bahn erhöht die Preise

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In Dresden hat der Deutschland-Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnen. Im Beisein Putins und der Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden mehrere Kooperationsverträge unterzeichnet. Putin sagte zudem volle Aufklärung im Fall der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja zu. Die Leitartikler der deutschen Presse lassen sich den Gipfel natürlich nicht entgehen.

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock merkt an:

"Der Kreml-Chef sprach mit Angela Merkel auf Augenhöhe. Über den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja, über Menschenrechtsverletzungen in der von Putin gesteuerten Demokratie wurde nur am Rande gesprochen. Es macht sich niemand Illusionen, dass Berliner Stirnrunzeln auch nur zu einer winzigen Kursänderung in der Innenpolitik Moskaus führen könnte. Die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland entwickeln sich dagegen rasant. Dabei ist der russische Riese längst nicht mehr nur der artige Öl- und Gaslieferant, sondern dank der eingenommenen Milliarden drängen russische Unternehmen auch in deutsche Unternehmen. Das kann Probleme bereiten."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg wirft einen Blick in die Vergangenheit:

"Russland sucht im Westen einen engen Verbündeten, der ihm blind vertraut. Der, wie Merkels Vorgänger Schröder, die gelenkte Demokratie Putins in Europa als waschecht verkauft. Dafür lockt der Kreml-Chef mit einer politischen Vorzugs-Behandlung und Energie- Versorgungssicherheit. Ein unsittliches Angebot? Ganz sicher nicht. Deutschland braucht sichere Energie. Nur weiß Merkel, anders als Schröder, dass sie es mit einem politischen Problembären zu tun hat. Sie zwingt ihn, in Dresden wenigstens ein paar Krokodilstränen für eine Journalistin zu vergießen, die einem Auftragsmord zum Opfer fiel."

In der LANDESZEITUNG aus Lüneburg ist folgende Stellungnahme zu lesen:

"Die Zeit der Verbrüderungen beim «Petersburger Dialog» ist vorbei. Angela Merkel war DDR-Bürgerin, als das Sowjetimperium zerfiel. Das immunisiert sie gegen der Fehleinschätzung Schröders, der im Duzfreund und Gas-Baron Wladimir Putin einen 'waschechten Demokraten' erkennen wollte. Dass Putin die Aufklärung des Mordes an seiner Kritikerin, der Journalistin Anna Politkowskaja, zusichert, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Auftragsmorde bleiben in Moskau traditionell unaufgeklärt."

Zum Schluss werfen wir einen Blick in den KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Russland gewinnt für Deutschland als Rohstoff-Lieferant zunehmend an Bedeutung. Wäre es ein durch und durch freies Land, ließe sich dagegen auch kaum etwas einwenden. Doch die Verhältnisse sind nicht so. Im Umgang mit den unmittelbaren Nachbarn verfährt Russland nach den Prinzipien erpresserischer Machtpolitik. Ein Indikator für Überwindung des alten Denkens ist der Freiheitsbezug: (...) Wann endlich erhält der per Schauprozess abgeurteilte Unternehmer Chodorkowskij seine Freiheit zurück?"

Und nun zum zweiten Thema dieser Presseschau, der Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn. Sie bittet ihre Millionen Kunden zum Jahreswechsel mit höheren Preisen teils kräftig zur Kasse. Im Fernverkehr verlangt sie im Schnit 2,9 Prozent mehr, was zusammen mit der anstehenden Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Erhöhung um 5,6 Prozent bedeutet. Für die Kommentatoren der deutschen Zeitungen eine optimale Zielscheibe!

Die ABENDZEITUNG aus München schreibt:

"Hartmut Mehdorn, der immer leicht grimmig wirkende Chef der Deutschen Bahn, hat wirklich wenig Gespür für richtiges Timing. Erst setzt er die Berliner Politik Tag für Tag mit dem Szenario für einen Börsengang nach seinem Gusto unter Druck. Dann treibt er die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA zum Warnstreik, der ganze Strecken und Bahnhöfe lahm legt. Mitten in die Verärgerung der Bahngäste über Verspätungen, Nicht-Information und mangelhaften Bahnservice platzt Mehdorn nun mit einer erneuten Erhöhung der Fahrpreise innerhalb eines Jahres."

Die BERLINER MORGENPOST gibt zu bedenken:

"Wäre die Bahn ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich im Wettbewerb verteidigen müsste, wäre gegen Tariferhöhungen nichts einzuwenden. Doch im Fernverkehr ist sie Alleinherrscherin über das Netz, im Regionalverkehr dominiert sie das Geschäft noch immer. De facto haben wir es also mit einem Monopolisten zu tun, der weitgehend unkontrolliert Preise hoch setzen kann - ohne Konkurrenz fürchten zu müssen. Als Manager handelt Mehdorn richtig, wenn er versucht, seine Kassen mit höheren Preisen zu füllen. Unklug ist seine jüngste Aktion dennoch: Die ohnehin schwierige Position der Bahn im Wettbewerb mit den Billigfliegern wird er damit nicht eben verbessern."

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:

"Natürlich kann die Bahn nichts dafür, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird. Auch unter den gestiegenen Energiekosten leidet sie in besonderem Maße. Doch mit diesen preistreibenden Faktoren haben auch andere Firmen zu kämpfen. Der feine Unterschied: Unternehmen, die in scharfem Wettbewerb stehen, versuchen, den Preisauftrieb mit mehr Effizienz aufzufangen. Die Bahn hingegen wälzt die gesamten Mehrkosten einfach auf die Verbraucher ab. Der Verdacht liegt nahe, dass Bahn-Chef Mehdorn mit noch besseren Zahlen seinem Ziel näher kommen will, den Staatskonzern möglichst bald an die Börse zu bringen."

Und nun zur OFFENBACH-POST, die ebenfalls deutliche Kritik übt:

"Stammkunden und Pendler dürften sich über den Tisch gezogen fühlen. Viele sind marktsensible Fahrgäste und müssen von dieser Verkehrsart immer wieder überzeugt werden. Der Bahn sollte deswegen doch daran gelegen sein, zunächst Defizite beim Service und bei der Pünktlichkeit zu beseitigen. Und das angesichts hoher Benzinpreise attraktive und umweltpolitisch gewollte Umsteigen vom Straßen- auf den Schienenverkehr gerät zur Farce, wenn die Fahrkarte, zum Beispiel für Familien, nicht mehr erschwinglich ist."