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Pressestimmen von Mittwoch, 11. August 2004

Herbert Peckmann10. August 2004

Neuer Terroristenprozess in Hamburg / Wachsender Druck gegen Arbeitsmarktreformen

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Die nur begrenzte Rechtshilfe der USA im Hamburger Prozess gegen den mutmaßlichen Terroristen Mounir El Motassadeq und der wachsende Druck auf die Regierung, die Arbeitsmarktreformen doch noch in Einzelpunkten zu ändern, sind herausragende Kommentarthemen der deutschen Tageszeitungen vom Mittwoch.

Zum Hamburger Prozess gegen den Marokkaner Motassadeq schreibt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Die Amerikaner geben sich geheimnisvoll und trauen dem deutschen Rechtswesen nicht über den Weg. Andererseits wachsen hier zu Lande seit Guantanamo und Folter im Irak die Zweifel an der Korrektheit von US-Ermittlungen. An diesem Konflikt ist bereits der erste Motassadeq-Prozess gescheitert. Die USA haben mit Ramzi Binalshibh den mutmaßlichen Chefplaner des 11. Septembers 2001 in Haft, lehnen dessen Befragung durch deutsche Richter aber nach wie vor ab. Nur Verhörzusammenfassungen werden gnädigerweise über den Großen Teich geschickt. So sind Lücken im Prozess kaum zu vermeiden, Lücken führen zu Zweifeln, und im Zweifel wird zugunsten des Angeklagten entschieden - selbst wenn er schuldig ist. Das wäre eine bittere Niederlage im Kampf gegen den Terror."

Die Zeitung DIE WELT konstatiert:

"Die Justiz hat derzeit ein Problem: Zum zweiten Mal will sie über einen radikalen Islamisten urteilen, dem Beihilfe zu Terror und Mord vorgeworfen wird. ... Doch der größte Rechtsstaat der Welt wehrt sich gegen eine Vernehmung der beiden, bietet bestenfalls gefilterte Protokolle als Prozessbeitrag an. Der Rechtsfindung hier zu Lande dient das nicht. ... So rempeln sich zwei Rechtsstaaten gegenseitig an. Hier der deutsche, auf der Suche nach dem Recht, bei der er weiter sein könnte, wenn seine Regierung etwa endlich die Kronzeugenregelung wieder aktivierte und so hiesige Zeugen zum Reden brächte. Da die USA, die 'ihr' Recht ziemlich eigenwillig definieren."

Der MANNHEIMER MORGEN schreibt zur Weigerung der USA, den potentiellen Zeugen Binalshibh aussagen zu lassen:

"Die Amerikaner geben nicht mal zu, ihn gefasst zu haben. Was wollen sie dem Hamburger Oberlandesgericht dann anbieten? Broschüren über den internationalen Terrorismus, Artikel aus der 'New York Times' oder Wahlplakate von George W. Bush? Wenn Washington nicht endlich alle Fakten offen legt, wird der zweite Prozess gegen Motassadeq enden wie der erste: mit einem Freispruch, weltweiter Empörung und schallenden Ohrfeigen für die deutsche Justiz."

Themenwechsel. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert den wachsenden Protest gegen die Sozialreformen. Das Blatt schreibt:

"In den anschwellenden Demonstrationszügen finden sich häufig die Verlierer wieder, Arbeitslose jenseits der 45, die alles durchprobiert haben: Umschulungen, Weiterbildungen, ABM, Bewerbungsbriefe durchs ganze Land. Menschen, die in Ostdeutschland nichts finden, weil es dort einfach zu wenig Arbeitsstellen gibt. Dass es einmal eine DDR gab, die nach ihrem Bankrott eine marode Wirtschaft hinterließ, die in größten Teilen nicht wettbewerbsfähig war, was auch nach 15 Jahren immer noch der Kern des Schlamassels ist, das spielt keine Rolle mehr. ... Gut möglich, dass das alles erst der Anfang von noch größeren Protestmärschen ist."

Das HANDELSBLATT meint zu den Überlegungen des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Georg Milbradt, sich an den Protesten gegen soziale Einschnitte zu beteiligen:

"Wenn Milbradt am nächsten Montag zur Demo ginge, würde er beispielsweise auf Peter Porsch stoßen. Dieser ist nicht nur PDS-Spitzenkandidat, sondern - so hat die Birthler-Behörde jetzt bestätigt - auch Stasi-Spitzel gewesen. Für die PDS ist dies kein Grund, sich von Porsch zu distanzieren. Im Gegenteil. Die Partei legt munter zu - auf 25 Prozent -, während die CDU allein in den letzten vier Wochen von 54 auf 44 Prozent gefallen ist. Und Milbradt würde vielleicht auch auf Udo Voigt treffen, den Bundesvorsitzenden der NPD, die gute Chancen hat, acht Prozent zu bekommen. Leicht lässt sich Milbradts Nachdenken als wahltaktisch, opportunistisch und populistisch geißeln. Aber darf man die Straße wirklich ausschließlich jenen überlassen, die skrupellos genug sind, sich über all jene Einwände hinwegzusetzen?"

Schließlich noch die WETZLARER ZEITUNG mit einem Ratschlag:

"Die Bundesregierung täte gut daran, sich auf den Mittelweg zwischen den Extrempositionen zu begeben. Sprich: Wenn eine Einzelregelung als unsinnig erkannt wird, sollte die Regierung sie ändern, ohne damit den Reformkurs aufzugeben. Wenn die Demonstranten im Osten dies am Ende als ihren Erfolg feiern, kann man ihnen diese kleine Freude ruhig gönnen."