1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Mittwoch, 10. Juli 2002

zusammengestellt von Reinhard Kleber. 10. Juli 2002

Anstieg der Arbeitslosigkeit / Spekulationen über Zukunft von Telekom-Chef Sommer / Regierungskrise in der Türkei

https://p.dw.com/p/2TL4
Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich vor allem mit den jüngsten Arbeitslosenzahlen. Weitere Themen sind die Spekulationen um eine Ablösung von Telekom-Chef Ron Sommer und die Regierungskrise in der Türkei.


Die BERLINER ZEITUNG schreibt zum Anstieg der Arbeitslosigkeit:

"Im Osten erreicht die Erwerbslosigkeit den höchsten Stand seit der deutschen Einheit, die Zahl der Erwerbstätigen wiederum fällt so tief wie nie zuvor. Die Arbeitslosenquote in den neuen Ländern ist nach wie vor doppelt so hoch wie in den alten Ländern. Die Schere geht eher noch weiter auseinander. Und selbst der Westen der Republik muss im laufenden Jahr hinnehmen, dass die Arbeitslosigkeit erstmalig seit 1997 wieder steigt. Es ehrt die amtierende Bundesregierung, dass sie nicht wie ihre Vorgängerregierung der Versuchung erlegen ist, die Job-Bilanz vor der Wahl mit millionenteuren, aber wirkungslosen Arbeitsmarkt-Programmen zu schönen."


Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG stellt eine Verbindung zwischen den Arbeitsmarktzahlen und den Vorschlägen der so genannten Hartz-Kommission zum Arbeitsmarkt her:


"Zu offensichtlich ist ein Widerspruch: Während die rot-grünen Repräsentanten wenig überzeugend versuchen, die Arbeitsmarkt-Daten als unvermeidliches Schicksal hinzustellen, suggerieren sie gleichzeitig, mit Umsetzung der Hartz-Pläne ließen sich fast alle Probleme an der Job-Front lösen. Was gilt denn nun - Ohnmacht oder Gestaltungschance? Eine schlüssige Antwort bleibt die Regierung schuldig. Solch Konfusion dürfte Schröders Wahlchancen nicht verbessern - zumal die Daten vor allem in Ostdeutschland immer schlechter werden."


Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle merkt dazu an:


"Die neuen Arbeitsmarktzahlen dürften wie eine kalte Dusche im Berliner Regierungslager wirken. Schließlich will sich bei der Wahl in zwei Monaten Bundeskanzler Gerhard Schröder am Erfolg seines Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit messen lassen. Dabei wundert es nur, dass der seit langem reformbedürftige Arbeitsmarkt erst am Ende der Legislaturperiode in die politische Hektik gerät. Dabei überschreiten schon jetzt einzelne Hartz-Vorschläge die Akzeptanzschwelle von Sozialpolitikern und Gewerkschaften."


Angesichts der Spekulationen über die Zukunft von Telekom-Chef Ron Sommer vertrat DIE WELT aus Berlin folgende Ansicht:


"Es ist (...) erschreckend, wie leichtfertig sich die Politik aus wahltaktischen Gründen in die Belange eines börsennotierten Unternehmens einmischt. Ein Großaktionär nimmt sich zwar immer das Recht heraus, ein starkes Wort mitzureden, wenn es um die Entwicklung einer Firma geht. Doch es überwiegt der Eindruck, dass es dem Bund als Großaktionär eben nicht um das Unternehmen geht. Denn die Telekom hat sich in jüngster Zeit nicht so schlecht entwickelt, dass ihr Chef deshalb gefeuert werden müsste. Wenn eines der größten deutschen Unternehmen zum politischen Spielball wird, nimmt der Standort Deutschland als Ganzes Schaden. Das aber kann sich keine Partei leisten.»


Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meinte, dass der Telekom-Chef inzwischen zum Wahlkampf-Thema geworden sei, und führte aus:


"Das beweist zunächst vor allem eins: Der politische Instinkt Schröders funktioniert noch. Der Kanzler hat das Herz für die Kleinaktionäre wieder entdeckt, immerhin haben drei Millionen Deutsche T-Aktien in ihren Depots ein beträchtliches Wählerpotenzial. Auf den zweiten Blick aber ist es skandalös und purer Populismus, dass Schröder das Unternehmen Telekom, das wahrlich genug eigene Probleme hat, nun auch noch zum Spielball im Wahlkampf macht."


Abschließend zitieren wir die FRANKFURTER RUNDSCHAU mit einem Kommentar zur Krise der türkischen Regierung:


"Nach den jüngsten Kabinetts- und Parteiaustritten steht Ecevits Drei-Parteien-Koalition vor dem Zusammenbruch. Damit geht die persönliche Tragödie des 77-jährigen Regierungschefs, der sich trotz schwerer Krankheit bis zuletzt an die Macht klammerte, ihrem Ende entgegen. Das eigentliche politische Drama aber beginnt erst. Neuwahlen, wie sie über kurz oder lang unausweichlich sind, könnten der Türkei völlig veränderte Kräfteverhältnisse und erhebliche innenpolitische Turbulenzen bescheren. (...) Stärkste Kraft ist in allen Umfragen die islamische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei."