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Pressestimmen von Mittwoch, 1. Juni 2005

zusammengestelt von Reinhard Kleber31. Mai 2005

Regierungsumbildung in Frankreich / Katzav-Rede im Bundestag / Urteil im Chodorkowski-Prozess

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Topthema der Kommentare der deutschen Tagespresse ist die Regierungsumbildung in Frankreich. Die Leitartikler beleuchten außerdem die Rede des israelischen Präsidenten Mosche Katzav im Bundestag. Ein weiteres Thema ist das endlich verkündete Urteil im Prozess gegen den russischen Unternehmer Michael Chodorkowski.

Zunächst zum neuen französischen Kabinett. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt an:

"Es mutet beinahe wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass mit der Doppelspitze ausgerechnet jene beiden Männer tragende Rollen im Polittheater zugewiesen bekommen, die in all ihrer Unterschiedlichkeit exakt die Elite des Landes verkörpern, die das Volk am Sonntag abgestraft hatte. Und es muss auf die Linke, die sich des 'Non' beim Referendum rühmt, wie ein rotes Tuch wirken, dass mit (UMP-Chef) Sarkozy der liberalste, anglophilste und kapitalistenfreundlichste Repräsentant der Rechten ins Kabinett zurückkehrt. Es ist das letzte Aufgebot, das Chirac mobilisieren konnte."

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG räsoniert über die Folgen der Pariser Ereignisse für den Politbetrieb in Berlin:

"Für die Unionsparteien, die sich auf eine Regierungsübernahme in Berlin vorbereiten, wäre Sarkozy ein genehmer Partner. Im übrigen kann sie der Entwicklung in Frankreich allerdings nur mit gemischten Gefühlen zuschauen: In Paris hat eine bürgerliche Regierung schon wenige Jahre nach einem überwältigenden Sieg das Wählervertrauen völlig verspielt. So rasch können glänzende Zahlen verblassen."

Zur Rede des israelischen Präsidenten vor dem Bundestag lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"Kern der Rede ist der Satz: 'Verstehen Sie meine Worte nicht als die eines Moralpredigers.' Katzav fordert die Deutschen zu einer offensiven Auseinandersetzung mit der politischen Realität Israels heraus. Dazu gehört der Nahost-Konflikt, in dem es kein simples Gut-Böse-Schema gibt, dazu gehört die existentielle Bedrohung Israels seit Jahrzehnten - aber auch die Ignoranz gegenüber den Regeln der Deeskalation. Katzavs Botschaft lehrt, dass Rituale alleine die Beziehung nicht tragen. Dafür muss man ihm in Deutschland dankbar sein."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU meint dazu:

"Katzavs Rede spiegelte inhaltlich wider, was man nach 40 Jahren der Wiederaufnahme deutsch-israelischer Beziehungen nicht positiver hätte erwarten können: Ein Stück höchst erfreulicher Normalität in der Unnormalität. Natürlich sind die Beziehungen nach Völkermord und Kulturbruch während der Nazi-Zeit zwischen der Bundesrepublik und Israel nicht so unbeschwert wie die zu Frankreich. Natürlich äußert sich Katzav - zu Recht - besorgt über erneut aufkeimenden Rechtsradikalismus und Antisemitismus. (...) Doch geschieht all dies in einem so unaufgeregten, fast routinemäßigen Ton, dass dieser auf neu gewachsenes, echtes Vertrauen in die Bundesrepublik schließen lässt. Katzav reichte Deutschland die Hand, gemeinsam für mehr Menschlichkeit zu kämpfen."

Zum Schluss blicken wir nach Moskau. Zum Chodorkowski-Urteil führt die LANDESZEITUNG aus Lüneburg aus:

"Schuldig gesprochen wurde gestern nicht nur der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski. Schuldig lautet auch das Urteil über den russischen Staat. Schuldig einer immer noch obrigkeitshörigen Justiz. Schuldig einer Gewaltenteilung, die nur als Potemkinsches Dorf existiert. In Moskau tobt ein Machtkampf zwischen zwei Gruppen von Oligarchen: Den Privatisierungsgewinnlern aus der Jelzin-Ära und den ehemals uniformierten Firmenlenkern aus der Putin-Ära -- Ex-Militärs und Geheimdienstler. Der ehemalige KGB-Offizier Putin steht auf der Seite derer, die dem Kreml die Kontrolle über die Schlüsselindustrien sichern wollen."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf schreibt zum gleichen Thema:

"Das gegen Chodorkowskij verhängte Strafmaß bedeutet, dass es mit einer unabhängigen dritten Gewalt im Lande noch nicht sehr weit her ist. Der Kreml hat sich nämlich nicht getraut, Chodorkowskij wegen der tatsächlich zweifelhaften Vorgänge um die Insider-Privatisierung von Yukos anzuklagen oder wegen des Bankrotts seiner Menatep-Bank. Wäre dies geschehen, wäre der Prozess sehr schnell zu einer Abrechnung mit der Zeit von Putins Vorgänger Boris Jelzin geworden."