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Pressestimmen von Mittwoch, 02. Juli 2003

zusammengestellt von Helmut Schmitz1. Juli 2003

Steuerreform / NRW-Koalition / Italien - EU

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Die Debatte um ein Vorziehen der Steuerreform steht an diesem Mittwoch im Mittelpunkt der Kommentare der deutschen Tageszeitungen. Kommentiert wird auch die Einigung von SPD und Grünen auf eine Fortsetzung der Koalition in Nordrhein-Westfalen.

Zunächst zur Steuerreform. Dazu schreiben die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

'Deutschland bewegt sich. So steht es über der Regierungserklärung, die Gerhard Schröder an diesem Donnerstag abgeben wird. Schön, wenn der Kanzler Recht behielte. Denn seit drei Jahren herrscht Stillstand im Land. Und was tut die Opposition? Immerhin: Sie bewegt sich doch. In der Union verschafft sich die Stimme der Vernunft Gehör. Angela Merkel und Edmund Stoiber deuten vorsichtig an, die Steuerreform im Bundesrat nicht zu blockieren - und stehen damit im Wort. Auf beiden Seiten hat man sich offenbar zur Flucht nach vorn entschlossen. Der Kampf gegen die Stagnation scheint wichtiger als die Haushaltskonsolidierung. Deutschland in Bewegung? Ohne Zweifel. Die Frage ist nur, wohin. Wieder nach oben oder weiter nach unten?'

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN heißt es:

'Was hier den Ausschlag gab, dürfte freilich weniger die Vernunft als kühles Kalkül gewesen sein. Merkel und Stoiber sind zunächst einmal Gefangene ihrer eigenen Wahlpropaganda vom vergangenen Jahr. Da wollten sie die beiden noch ausstehenden Stufen der Steuerreform sogar auf den 1. Januar 2003 vorziehen. Obwohl dabei auch schon Abdichtungsmaßnahmen an den bodenlosen Fässern der Sozialkassen mitgedacht waren, weckte man die überaus kühne Erwartung, dass sich ein solcher Schnitt durch seine konjunkturstimulierende Wirkung von selbst finanzieren würde. Obwohl das keineswegs so sicher war, würde die Union ihre Wahlversprechen im Nachhinein unglaubwürdig machen, wenn sie der Regierung verwehrte, was sie selbst propagiert hat.'

Der MANNHEIMER MORGEN befasst sich mit der Beilegung der Krise der rot-grünen Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen:

'Zu besichtigen ist auch eine tiefe strukturelle Krise der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie. Ihr kommen den neuesten Umfragen zufolge neben einer wachsenden Zahl von Traditionswählern auch die wichtigen Themen abhanden. Wenn Steinbrück das Zukunftsprojekt Metrorapid opfert und zum Schluss nur noch um den Erhalt der Kohlesubventionen kämpft, dann wirft das ein bezeichnendes Licht auf die Innovationskraft der Partei und des Ministerpräsidenten. Und schon zeichnet sich die nächste Niederlage ab. Steinbrücks Widerstand gegen Schröders vorgezogene Steuerreform dürfte kaum durchzuhalten sein.'

DER TAGESSPIEGEL aus Berlin meint:

'Es darf, nach diesem Klärungsprozess, jetzt keinen neuen Koalitionsstreit geben, weil er für den Ministerpräsidenten wie eine neue Niederlage wirkt. Und jede wird ihn weiter schwächen. Dabei kommt diese noch bestimmt: bei der Steuersenkung. Während die Union schon auf Kanzlerkurs einschwenkt, verharrt Steinbrück in Skepsis. Das wirkt, als verpasse er den politisch entscheidenden Wendepunkt auch in dieser Konfrontation.'

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera kommentiert die Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch die italienische Regierung unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi:

'In manchen Hauptstädten herrscht Erleichterung, dass der Prozess gegen den italienischen Ministerpräsidenten ausgesetzt worden ist. Zu jämmerlich stünde die krisengeschüttelte EU im Licht der Welt, wenn ihr Ratspräsident hin und wieder auf die Anklagebank eilen müsste. Es ist eine wirklich schlechte Nachricht: heute schauen Europas Regierungschefs zu, wie in Italien einer Gesetze biegt und Medien kontrolliert. Über Milchquoten und die zulässigen Krümmung europäischer Gurken mögen die Politiker lange debattieren, aber Demokratie scheint ein zu heikles Thema zu sein. Das mutet absurd an, jetzt, da die EU eine Verfassung und mehr Demokratie wagen will.'

Abschließend die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg:

'Der wahre Skandal im Fall Berlusconi ist die Gleichgültigkeit, mit der die EU, ihre Mitgliedstaaten und die Regierungschefs Berlusconis Handeln begleiten. Welch einen Aufschrei gab es, als in Österreich Anfang 2000 Jörg Haiders rechtspopulistische FPÖ in die Regierung einzog. Dabei ging es damals um die Gefahr, Haiders Thesen könnten im übrigen Europa um sich greifen. Haider selbst übrigens gehörte der Regierung nicht an. Die wurde jedoch von der EU ein halbes Jahr unter Quarantäne gestellt. Jetzt schaut Europa weg. Wo steckt da die viel beschworene Wertegemeinschaft?'