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Pressestimmen von Freitag, 31. Dezember 2004

Gerhard M. Friese30. Dezember 2004

Flutkatastrophe/ Jahreswechsel

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Die wichtigsten Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen an diesem Freitag sind die Flutkatastrophe in Südasien und der bevorstehende Jahreswechsel.

Die Berliner Tageszeitung DIE WELT schreibt zur Frage nach der Suche der Schuldigen für die Katastrophe:

"Nach jeder Naturkatastrophe sind noch immer Stimmen von Kritikern laut geworden, die irgendwelche Versäumnisse oder Fehlentscheidungen ausgemacht haben wollten. Doch es ist eine Illusion zu glauben, daß sich mit ein paar technischen und organisatorischen Maßnahmen gigantische Naturkatastrophen zähmen lassen. Gewiß, die Opferzahlen wären deutlich geringer ausgefallen, wenn man Vorsorge betrieben hätte. Andererseits ist es für arme Länder psychologisch außerordentlich schwierig, sich für Katastrophen zu wappnen, die statistisch nur alle 700 Jahre auftreten." Der KÖLNER STADT-ANZEIGER ergänzt: "Es steht zu befürchten, dass auch beim Wiederaufbau eine vom Westen bestimmte und auf ihn zentrierte Sicht den Gang der Dinge bestimmt. Die Touristenhochburgen werden schon bald wieder erstanden sein. Es würde ein versöhnliches Licht auf das schwierige Jahr 2004 werfen, wenn es gelingt, den Wiederaufbau der ganzen südasiatischen Küstenregionen auf die Liste der zentralen Aufgaben zu setzen, deren sich die UN 2005 und darüber hinaus annehmen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint zum Engagement der Bundesregierung:

"Auch die 20 Millionen Euro, die die Regierung nun als Soforthilfe bereitgestellt hat, werden wenig ändern. Selbst ein einseitiger Schuldenerlass bewirkt wenig, denn die meisten betroffenen Länder schulden Deutschland nicht viel. Was der Fluteinsatz des Kanzlers tatsächlich wert ist, wird sich erst zeigen, wenn die Bilder von Tod und Zerstörung verschwunden sind und mit ihnen die Helfer, wenn also zwischen Somalia und Sumatra wieder so etwas wie Normalität eingekehrt ist. Ändert sich die deutsche Entwicklungspolitik in den nächsten Jahren nicht grundlegend, würde Schröders Handeln im Nachhinein doch noch als Aktionismus entlarvt."

Der MANNHEIMER MORGEN schlägt den Bogen zum Jahreswechsel und den Aussichten für Deutschland:

"Auch nach dieser apokalyptischen Heimsuchung wird die Welt zur Tagesordnung zurückkehren, werden die gewöhnlichen Sorgen von 2004 auch die von 2005 sein. Aber vielleicht sollten wir Deutschen mit unserer Neigung, auf hohem Niveau zu jammern, innehalten und bedenken: Viele Erdenbürger hätten gern unsere Probleme, würden sich lieber über Maut und Hartz IV ärgern, als nicht zu wissen, ob sie den nächsten Tag noch erblicken."

Die in Potsdam erscheinenden MÄRKISCHE ALLGEMEINE notiert:

"Es klingt wie Blasphemie, wenn man das deutsche Jammern auf hohem Niveau mit den Bildern von Phuket und Khao Lak vergleicht. Und doch lehrt uns auch diese Katastrophe etwas: nämlich die Unverzichtbarkeit eines starken und gut ausgerüsteten Staates. Während in diesem Land im Reformjahr 2004 ununterbrochen an die Eigenverantwortung und Selbsthilfe der Menschen appelliert wurde, machen die schrecklichen Bilder deutlich, wie schnell der Einzelne auf die Hilfe der Gemeinschaft, die nationale wie die internationale, angewiesen sein kann."

Einen vorsichtig optimistischen Ausblick auf das kommende Jahr wagt die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Positive Signale, die einen optimistischen Blick auf die nähere Zukunft rechtfertigen, sind nicht zu übersehen. Die in den Status quo verliebte deutsche Gesellschaft, die seit Jahrzehnten Angst vor dem Wandel hat, scheint ihre Fähigkeit zu entdecken, die Selbstblockade zu lösen. Politiker, Gewerkschaften und eine wachsende Zahl von Bürgern beginnen, die schwierigen Realitäten des 21. Jahrhunderts zu akzeptieren... Den meisten Deutschen dämmert langsam, dass es nicht möglich ist, weniger zu arbeiten, weniger zu produzieren, weniger zu investieren, weniger Kinder großzuziehen und dennoch mehr zu kaufen, länger Urlaub zu machen und mehr Sicherheit im Alter zu haben."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld hält dagegen:

"Die Krise in Deutschland, die die bisherigen Reformen zwingend notwendig machte, ist nicht vorbei. Das hat nichts mit schlecht reden zu tun. Da reicht ein nüchterner Blick auf die Verhältnisse. Es gibt also für Rot-Grün keinen Grund zum Ausruhen. Entscheidend für die Menschen bleiben die Fragen nach den Jobs und der wirtschaftlichen Sicherheit. Und da steht der große Durchbruch noch aus."