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Pressestimmen von Freitag, 30. November 2001

Stephan Stickelmann29. November 2001

Ethikrat / Afghanistan-Konferenz

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Der Ethikrat hat sich für den Import menschlicher embryonaler Stammzellen ausgesprochen. Dies ist das herausragende innenpolitische Thema in den Kommentarspalten der Tageszeitungen. Außenpolitisch bleibt die Afghanistan-Konferenz Anlass für Meinungsäußerungen.

Zur Entscheidung des Ethikrats schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Es war zu erwarten, das der Ethikrat in seiner Mehrheit dem Import embryonaler Stammzellen zustimmt, viele Wissenschaftler gehören zu seinen Mitgliedern. Doch dieses Ja hat Einschränkungen, die alle Befürworter der Stammzell-Forschung zu Zurückhaltung zwingen sollte.
Dies ist wohl das wichtigste Ergebnis, das der Ethikrat vorlegen kann, die entscheidende Botschaft für den Bundestag: Es geht nicht um ein schlichtes Ja oder Nein zur Stammzellen-Forschung, in der erwachsene Stammzellen ebenso eine Rolle spielen wie embryonale. Es geht darum, die Grenzen der Gentechnik zu erkennen, auch die Grenzen einer in der Verfassung garantierten Froschungsfreiheit."

Dagegen heißt es in der FRANKFURTER NEUEN PRESSE:

"Der Nationale Ethik-Rat hat nun in Schröders Sinn gesprochen, der Bundestag dürfte eher folgen, als dass er die bestehende Gesetzes-Lücke dergestalt schließen wollte, dass er den Stammzellen-Import verböte. Denn noch größer als die Skepsis gegenüber der neuen Technologie ist der Glaube, dass es wenig nutzt, der Gen-Forschung in Deutschland engste Grenzen zu ziehen, während etwa in den USA und Großbritannien schon eifrig embryonale Stammzellen gezüchtet werden, ja vielleicht sogar geklont wird. So bleibt der Politik nur der Versuch, das wohl Unausweichliche in vernünftige Bahnen zu lenken."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld resümiert:

"Jetzt ist es die Pflicht jedes einzelnen Abgeordneten, diese Argumente zu wägen und zu gewichten. Letzten Endes muss er sich entscheiden, ob er dem unbedingten Schutz des menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an absoluten Vorrang vor allen anderen Erwägungen gibt oder ob er es verantworten kann, dass unter strikten Auflagen und öffentlicher Kontrolle neue Heilverfahren für schwere Krankheiten an Zellen von Embryonen erforscht werden, die keine Chance haben, jemals zu einem fertigen Kind zu reifen. Diese Entscheidung können ihnen Vorgaben aus Regierung, Parteien und Fraktionen ebenso wenig abnehmen wie Empfehlungen von Parlamentskommission oder Ethikrat."

Themenwechsel: DIE WELT beschäftigt sich mit der Afghanistan-Konferenz und stellt erfreut fest:

"Es geht voran auf dem Petersberg. Während der Krieg in Afghanistan noch tobt, entpuppt sich langsam eine Ordnung für die Zeit danach.
Das ist ein Erfolg zuerst der Afghanen, aber auch der Bundesregierung. Sie ist das Risiko des Scheiterns ihres diplomatischen Einsatzes eingegangen und scheint belohnt zu werden.
Deutschland hat sich eingemischt, und es hat recht gute Figur gemacht. Das darf nicht abreißen. Deshalb ist es richtig, die folgende UNO-Geberkonferenz ebenfalls hier im Lande abzuhalten."

Der Kommentator der AUGSBURGER ALLGEMEINEN gibt aber zu bedenken:

"Bei aller Freude und Genugtuung über die erzielten Verhandlungsfortschritte darf nicht übersehen werden, dass im Hotel Petersberg nur die zweite oder gar dritte Garnitur der Kräfte vertreten ist, die in Afghanistan das Sagen haben. Die UN, die im Kampf gegen die Taliban beteiligten Länder sowie die so genannte Geberkonferenz werden alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um die Ergebnisse vom Rhein in Zentralasien durchzusetzen. So muss gewährleistet sein, dass schlagkräftige Streitkräfte in den nächsten Wochen und Monaten die militärischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass UN-Blauhelme die weitere Absicherung des erhofften Stabilisierungsprozesses übernehmen können."

Hören Sie abschließend ein Zitat aus der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Das Staatsgebilde, das jetzt Umrisse annimmt, lässt sich nicht an westlichen Demokratien messen. Afghanistan steht erst am Anfang des Weges zur inneren Einheit. Es wäre viel, wenn zwischen den Nationalitäten und der kaum überschaubaren Zahl von Stämmen künftig die Waffen ruhen und stabile Verhältnisse entstehen. Noch bleibt dies unsicher. Abkommen der letzten Jahre sind in Afghanistan rasch wieder gebrochen worden. Doch diesmal kann eine große Chance alle Gruppen zur Einsicht zwingen: Nur mit Geld aus dem Westen findet das Land aus dem Elend, und die reichen Staaten sind durchaus bereit zu zahlen - sofern Frieden herrscht."