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Pressestimmen von Freitag, 28. März 2003

27. März 2003

Krieg und Vereinte Nationen / Merkel und Irak / Kanzler und Rürup

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Die Kämpfe im Irak gehen in die zweite Woche. Viele Kommentatoren der deutschen Presse richten ihren Blick bereits auf die Zeit danach. Welche Bedeutung werden die Vereinten Nationen noch haben, welche Rolle kommt Deutschland im Konzert der Mächte zu? Der MANNHEIMER MORGEN schreibt dazu an diesem Freitag:

'Deutschland würde gut daran tun, die Debatte über eine Beteiligung am Wiederaufbau im Irak auf kleiner Flamme zu führen. Niemand weiß schließlich derzeit, wie lange dieser Krieg dauert, welches Ausmaß an Zerstörung er noch annimmt, wann überhaupt der Irak befriedet sein kann. Nicht zuletzt wird für die Mitwirkung der Bundesrepublik entscheidend sein, ob die Vereinten Nationen nach dem Sturz des Saddam-Regimes wieder eine Rolle spielen werden. Sollte Bush eine koloniale Lösung suchen und sich den Wiederaufbau mit irakischem Öl bezahlen lassen, stellt sich die Frage ohnehin nicht mehr.'

Der Tageszeitung WELT kommt hier einem Politiker große Bedeutung zu:

'Was wäre Europa, was die Vereinten Nationen ohne Tony Blair? Seit Monaten reist der britische Premier zwischen Washington und London hin und her. Unermüdlich versucht er, den Graben zwischen Amerika und Europa nicht zur Schlucht werden zu lassen. Kaum einer in Deutschland weiß diese Mühen zu schätzen. Den meisten gilt er schlicht als Kriegstreiber. Dabei wird am Ende allein Blair das transatlantische Verhältnis retten und das alte mit dem neuen Europa innerhalb der EU versöhnen können. (...) Die Bundesregierung täte gut daran, Tony Blair zu unterstützen. (...) Es bringt nichts, wenn Entwicklungs-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul öffentlich erklärt, Deutschland werde sich an den Kosten des Wiederaufbaus im Irak nur in geringem Maße beteiligen. Es schadet, nicht den Amerikanern, sondern uns und den Vereinten Nationen.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beleuchtet Deutschlands Oppositionsführerin:

'Der Krieg, sagt Merkel, sei unvermeidbar geworden; Schröder habe ihn wahrscheinlicher gemacht und Deutschland müsse jetzt an der Seite Amerikas stehen. Man kann ihr nicht einmal zu Gute halten, dass das ihre prinzipielle Überzeugung ist, weil sie nach Monate langem Lavieren erst im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz diesen Standpunkt öffentlich zu entwickeln begann. Das Problem der Partei liegt nicht nur darin, dass ihre Chefin mit eingelegter Lanzedynamisch in die Vergangenheit stürmt. Merkel ist, auch jenseits der Außenpolitik, in der Fraktion und bei der Partnerin CSU nicht unumstritten. Wer sich von den Spitzenleuten der Union jetzt, und sei es aus Vernunftgründen, öffentlich gegen ihre Politik der uneingeschränkten Solidarität stellt, der positioniert sich auch gegen die Partei- und Fraktionschefin. So wird Merkels Loyalität zu Bush auch eine Loyalitätsfrage in der CDU. Dies ist für Merkel die falsche Machtprobe zur falschen Zeit über den falschen Gegenstand.'

Das sieht die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg völlig anders:

'Es ist eine der ersten großen Debatten, bei der Merkel in der Union unbestritten die Spitzenposition einnimmt. Nicht Stoiber und Koch sind die Wortführer, wie so oft, sondern die Parteivorsitzende. Dass sie außerhalb der Partei damit Kritik erntet, kann sie als CDU-Chefin deshalb relativ gelassen hinnehmen. (...) Merkel hat sich zum ersten Mal mit einem unbestritten konservativen Thema profiliert. In diesem Punkt kann ihr keiner der konservativen Landesfürsten vorwerfen, dass sie nicht lupenreine CDU-Politik vertrete. Da gibt es nichts, was man ihr - aus Sicht der Traditionalisten - als Frau und Ossi vorwerfen könnte. Neben Angela Merkel ist kein Platz mehr für die Profilierungs-Versuche ihrer innerparteilichen Konkurrenten. In der Außenpolitik ist Angela Merkel in der Union derzeit das Maß der Dinge.'

Der Kölner EXPRESS widmet sich Schröders Schelte für die Professoren:

'Der Kanzler ist mächtig sauer auf die Rürup-Kommission zur Reform der Sozialsysteme. Verständlich. Wie kaum eine Kommission zuvor, ist das Gremium eine wahre Schwatzbude. Fast täglich wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben - ein wahres Reform-Feuerwerk bunter Sprach-Raketen, die alle nach kurzer Zeit verglühen. (...) Denken wir an die Hartz-Kommission: Bevor überhaupt ein Konzept auf dem Tisch lag, schlug die Stunde der Ausplauderer. Alles wurde zerredet, vieles Schmerzhafte weichgespült oder je nach Interessenlage blockiert, bis zum guten Schluss nur noch ein Reförmchen übrigblieb.'