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Pressestimmen von Freitag, 25. Februar 2005

Gerd Winkelmann24. Februar 2005

Fischer und die Visa / Bush und Putin

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In der Visa-Affäre gerät Außenminister Fischer zunehmend unter Druck. Nach Aussage eines Beamten des Bundeskriminalamtes vor dem Untersuchungs-Ausschuss in Berlin war die Vergabe-Praxis der Bundesregierung bereits im Herbst 2000 negativ aufgefallen. Für die die Kommentatoren der deutschen Tagespresse an diesem Freitag ein zentrales Thema, so auch für die Berliner 'taz':

'Unklar ist die politische Einordnung der Visa-Affäre, die sich letztlich auf nur eine Frage konzentriert: Wie viel wusste Fischer wann? Bisher hat die Union nicht den unumstößlichen Beweis erbracht, dass der Außenminister geschludert hat. Umgekehrt ist aber auch offensichtlich, dass sich Fischer bisher nicht traut, selbstsicher jeden Vorwurf abzustreiten. Bei dieser Unübersichtlichkeit liegt es nahe, auf ein geheimes Dokument zu hoffen, das endlich beweist, wie es wirklich war. Gäbe es DAS Schlüsseldokument - es wäre der Union wohl schon zugespielt worden. Wahrscheinlich bleibt es beim verwirrenden Quirl aus Fakten, Anklagen und Verteidigungen.'

Das HANDELBLATT schreibt folgendes:

'Der Visa-Skandal dreht sich bislang um die Frage, was Fischer wann gewusst und wie er reagiert hat. Zur akuten Gefahr für SPD und Grüne wird er, wenn die Union alle Vorwürfe bündelt, mit denen sie Rot-Grün zusetzen kann: Die Regierung versage angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, sei sorglos im Umgang mit der inneren Sicherheit, verletze sogar europäische Normen und die Interessen unserer Partnerstaaten. Visa-Schwindel das kann das Ventil werden, durch das lange aufgestauter Ärger über Hartz IV und Angst vor sozialem Abstieg mit hohem Druck entweichen. Kommt es zu dieser Entladung, würde diese wohl alles wegblasen, was sich ihr entgegenstellt.'

Hier noch ein Blick in die BERLINER ZEITUNG:

'Was immer die Folgen der laxen Visa-Praxis an der deutschen Botschaft in Kiew gewesen sein mögen die Förderung des Frauenhandels gehörte bestimmt nicht dazu. Die Tränen, die derzeit so intensiv wegen des massenhaften Unglücks zur Zwangsprostitution gezwungener Ukrainerinnen vergossen werden, entstammen einem Volk von Krokodilen. Die Visa-Praxis an deutschen Botschaften in Osteuropa ist für einige Zeit aus dem Ruder gelaufen, das hat sinistren Figuren das Geschäft mit so genannten Reiseschutzpässen ermöglicht und ukrainischen Schwarzarbeitern die Reise über Deutschland als Transitland vorzugsweise nach Portugal und Spanien erleichtert. (...) Unbestreitbar ist, dass Fischer als Minister in jedem Fall die Verantwortung trägt, und entscheidend könnte sein, dass er das zu spät begriffen hat.'


Themenwechsel - Die 'tz' aus München bilanziert den Europa-Besuch von US-Präsident Bush:

'Was wir diese Woche gelernt haben: George W. Bush kann äußerst witzig und charmant sein. Dabei war die Europa-Tour für ihn harte Arbeit. Abgesehen vom Irakkrieg-Verbündeten Slowakei hat sich Bush bei der Reise seine Widersacher vorgenommen, um sie kräftig ans Herz zu drücken. Chirac, Schröder, Putin sollten wieder enger an Amerika herangeholt werden. Das ist gelungen, ohne dass Bush deshalb von seinen Zielen abgerückt wäre. (...) Und dass ihm der Erbe der früheren kommunistischen Supermacht Russland gen Westen nach Bratislava entgegenreist, hatte mehr als Symbolcharakter. Bush kann zufrieden sein: Er hat die Stimmung aufgehellt ohne viel dafür preiszugeben.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schreibt zu diesem Thema:

'Während der moralisierende US-Präsident seine Vision einer demokratischen Welt mit den USA als Primus verfolgt, fehlt seinem russischen Kollegen bisher eine langfristige außenpolitische Klammer. Der Kremlchef bemüht sich zwar, seinen Anspruch als weltpolitischer Akteur zu zementieren. Doch der konzeptionelle Mangel der russischen Außenpolitik hat den Einfluß Moskaus deutlich geschwächt. (...) Symbolträchtig haben die Ereignisse in der Ukraine bewiesen, wie groß die Anziehungskraft westlicher Demokratien ist - und wie gering die der Moskauer Führung. Dies ließe sich ändern, dazu aber müsste sich Putin neu aufstellen. Russland als Marktplatz einer freien Wirtschaft ohne staatliche Kujonierung etablieren, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie forcieren anstatt zurückzudrehen.'