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Pressestimmen von Freitag, 22. Oktober 2004

Hans Ziegler21. Oktober 2004

Rekord-Schulden / Mitbestimmung / EU-Kommission

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Zentrales Thema in den Kommentaren der deutschen Tagespresse an diesem Freitag ist die von Finanzminister Eichel angekündigte neue Rekordverschuldung. Daneben wird der Arbeitgeber-Vorstoß, Mitbestimmung in Betrieben einzuschränken, kommentiert. Schließlich richtet sich das Augenmerk auch auf den Streit in der EU-Kommission um den designierten Justizkommisar Rocco Buttiglione.

Zunächst zur deutschen Haushaltspolitik. Die STUTTGARTER ZEITUNG geht hart mit dem Finanzminister ins Gericht und schreibt:

'Die Finanzpolitik wird immer erbärmlicher. Minister Eichel ist in Zeiten mit knapp zwei Prozent Wachstum nicht in der Lage, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Wann sollen die Etats saniert werden, wenn nicht jetzt? Die Forschungsinstitute empfehlen der Regierung ein neues Sparpaket. Das ist sicherlich in höchstem Maße unpopulär. Doch dazu gibt es keine Alternative. Deutschland kann nicht in jedem Jahr mehr Schulden anhäufen.'

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint:

'Immer mehr rückt nun die Frage in den Vordergrund, wie lange Eichel die EU noch wird ruhig stellen können. Aller Voraussicht nach wird Deutschland im kommenden Jahr den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt zum vierten Mal in Folge brechen. Der einstige Musterschüler wird damit - neben den Griechen - zum größten Sünder an der Gemeinschaftswährung. Das ist nicht nur peinlich, sondern ein verheerendes Signal an die Eurozone.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht dagegen ein Fehlverhalten der Opposition:

'Mit dem Starrsinn eines Besessenen dringt die Oppositionen auf simple Rezepte. Neue Sparpakete ließen zwar den Haushalt besser aussehen, doch der Weg aus der Wachstumskrise würde noch steiler. So handelt ein fehlgesteuerter Arzt. Eichel lehnt das zu Recht ab. Niemand behauptet im Ernst, in Berlin sei eine verschwenderische Regierung dabei, Geschenke zu verteilen. Das Gegenteil ist der Fall. Selbst die kritischen Forschungsinstitute bescheinigen der Wirtschaftspolitik, restriktiv angelegt zu sein.'


Themenwechsel: Die in Berlin erscheinende Tageszeitung DIE WELT beschäftigt sich mit der neu laut gewordenen Arbeitgeberforderung, die Mitbestimmung einzuschränken. Im Kommentar heißt es:

'Dem kapitalistischen Profithunger Paroli zu bieten und den Arbeitern selbstbestimmte Würde zu geben war der Impuls, der zum deutschen Modell der Mitbestimmung gerann. Das Schicksal des eigenen Unternehmens nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch Teilhabe an der Entscheidungsmacht mitzugestalten trägt ethisch-soziale Züge. Die Deutschen mögen es eben harmonisch, obwohl Firmenschicksale sich meist nicht im sanften Konsens, sondern im Konflikt entscheiden. Abseits der Historie ist heute jedoch zu fragen, ob die Mitbestimmung Firmen vor dem Ruin rettete oder ihren Standort im globalen Wettbewerb veredelte. Von Holzmann bis Opel haben die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten fast allem zugestimmt - auch den Fehlentscheidungen.'

Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN bewerten dagegen den Arbeitgeber-Vorstoß kritisch:

'Der Vorwurf, die Mitbestimmung habe Opel und Karstadt nicht vor der Krise bewahrt, ist besonders scheinheilig. Soll das als Aufforderung an die im Aufsichtsrat vertretenen Gewerkschaften aufgefasst werden, sich ins Managementgeschäft einzumischen? Oder meint Rogowski wirklich, letztlich seien die Arbeitnehmervertreter schuld daran, dass zwei große Konzerne ins Schlingern gerieten, und nicht etwa krasse Managementfehler? Es gibt auf Seiten der Gewerkschaften gewiss Betonköpfe, ohne die mancher politischer Diskurs fruchtbarer geführt werden könnte. Arbeitgeberfunktionäre vom Schlage Rogowskis, der ja auch im eigenen Lager umstritten ist, machen es freilich keinen Deut besser.'

Abschließend die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, die sich mit dem EU-internen Streit um den designierten Justizkommisar Buttiglione befasst:

'Den Sozialisten, denen es in diesem Machtkampf möglicherweise um mehr geht als allein um den Kopf Buttigliones wegen dessen konservativer Moral, werden sich von derlei Krisen womöglich nicht einschüchtern lassen. Bleiben sie bei ihrer Haltung, bekäme die Kommission dennoch eine Mehrheit, dann würde in den nächsten Wochen der Ton ruppiger und der Umgang rauher. Bei einer Ablehnung erst recht. Aber das änderte nichts an einem Brüsseler Axiom: Kommission und Parlament sind keine Gegenspieler.'