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Pressestimmen von Freitag, 1.Oktober 2004

Zusammengestellt von Frank Gerstenberg30. September 2004

Bundestags-Entscheidung über Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr / Finanzschwierigkeiten bei Karstad

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich vor allem mit der Entscheidung des Bundestages, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu verlängern. Auch die Finanzprobleme des Waren- hauses Karstadt sind ein beherrschendes Thema.

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält es für

"sinnvoll, dass die Bundeswehr in Afghanistan steht. Die Republik schützt sich gegen Terror und hilft einem geschundenen Land. Richtig ist aber auch: Viele Nato-Staaten schlagen sich in die Büsche. Das Parlament hat gestern die Chance verpasst, das Kontingent auf- zustocken - trotz eines Angebots der CDU/CSU an die Koalition. An dieser Verantwortung könnten die Abgeordneten noch schwer zu tragen bekommen."

Vor dem Hintergrund des Granatenangriffs auf ein deutsches Bundeswehrlager in Kundus fragen die STUTTGARTER NACHRICHTEN:

"Afghanistan? Nur selten verirrte sich das Geschehen am Hindukusch in die Schlagzeilen. Das Inferno im Irak lag näher und beanspruchte alle Aufmerksamkeit. Die Anschläge der Taliban dürften nun aber dem Letzten deutlich machen, dass deutsche Soldaten nicht nur eine Alibi-Mission am Hindukusch absolvieren. El Kaida und Taliban sind noch längst nicht besiegt. Es ist daher nur vernünftig, dass der Bundestag das Mandat für Kundus, Feisabad und Kabul abermals verlängert hat."

Der gleichen Ansicht ist die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock:

"Nach wie vor stehen die Taliban auf dem Sprung, um die Uhren zurückzudrehen. In dieser brenzligen Situation die deutschen Soldaten nach Hause zu holen, würde einer Bankrotterklärung an den Aufbauprozess gleichkommen. Umso wichtiger war gestern das klare Signal des Bundestages, das Mandat trotz Raketenschlägen und Pannen zu verlängern. Auch wenn es angesichts der Gefahr für Leib und Leben deutscher Soldaten bitter sein mag."

Die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld begrüßt ebenfalls die Mehrheits-Entscheidung des Bundestages:

"Kabul darf keine Insel bleiben. Gelingt es nicht, schrittweise das ganze Land am Wiederaufbau teilhaben zu lassen, wird der Friedens- und Demokratisierungsplan scheitern. Chaos wäre die Folge. Daher ist es richtig, den Einsatz zu verlängern und in der Fläche auszudehnen. Kundus und Faisabad sollten nicht das Ende des Engagements außerhalb Kabuls sein, sondern der Anfang."

Der MANNHEIMER MORGEN vermisst allerdings etwas Entscheidendes:

"Was fehlt, ist eine politische Debatte über die Strategie, die dem Einsatz von rund 7000 deutschen Soldaten zwischen Balkan und Hindukusch zu Grunde liegt. Verteidigungsminister Peter Struck hat kürzlich einen zaghaften Vorstoß in diese Richtung unternommen, als er öffentlich darüber nachdachte, ob die politischen Ziele, denen die Bundeswehr im Kosovo zum Durchbruch verhelfen soll, noch Bestand haben. Die eigentliche Nagelprobe aber findet in Afghanistan statt."

Eine warnende Stimme erhebt bei aller Zustimmung auch die Zeitung DIE WELT aus Berlin:

"Wenn Rebellen oder Drogengauner wirklich Ernst machen, müssen die deutschen Soldaten allzu oft den Rückzug antreten. Das zu beklagen reicht aber nicht, weil eines klar ist: Weder die Bundeswehr noch eine andere Armee auf der Welt verfügt über die Mittel, Afghanistan so mit Militär zu überziehen wie das Kosovo heute oder den übrigen Balkan vor einigen Jahren. Das andere Extrem, das Land wieder sich selbst zu überlassen, verbietet sich ebenso. Die Deutschen stehen im Wort." Themenwechsel: Karstadt-Quelle, der einstige "Mercedes" unter den Warenhäusern, wankt. Tausende Beschäftigte fürchten um ihre Arbeitsplätze. Unüberhörbar sind die Rufe nach finanzieller Rettung durch die Politik.

Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden meint dazu:

"Wenn ein Konzern wie Karstadt-Quelle heruntergewirtschaftet worden ist, darf es in einer Marktwirtschaft nicht Sache der Politik sein, hier mit Finanztransfers oder Steuererleichterungen einzugreifen. Die Beispiele des Bauriesen Holzmann oder des Waggonbauers in Halle haben gezeigt, wie schnell staatliches Engagement in die Hose geht. Wenn durch Notpakete für große Unternehmen der Wettbewerb verzerrt wird, kann sogar eine ganze Branche in Mitleidenschaft gezogen werden."

Auch die SCHWERINER VOLKSZEITUNG ist gegen eine Feuerwehr-Politik:

"Managementfehler, aber auch eine falsche Raumordnungspolitik der Kommunen, die mehr und mehr Gewerbezentren auf der grünen Wiese favorisiert hat, können nicht mit dem staatlichen Scheckbuch wieder ausgebügelt werden. Statt spektakulärer Einzeleinsätze ist eine beharrliche Politik zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nötig, bei Bund wie bei Ländern und Kommunen: Vom Aus für den Ladenschluss über Bürokratieabbau bis hin zu einer vorausschauenden Ansiedlungspolitik vor Ort."