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Pressestimmen von Freitag, 19. November 2004

Herbert Peckmann18. November 2004

Europaparlamentarier billigen künftige EU-Kommission /Prozess um Folterdrohung hat begonnen

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Die Zustimmung des Europaparlaments zur umgebildeten EU-Kommission ist das Hauptthema der deutschen Zeitungskommentare vom Freitag. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Prozessbeginn im Fall des früheren Frankfurter Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner, der Folterdrohungen gegen den Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler bestritten hat.

Zum Abstimmungserfolg des künftigen Kommissionspräsidenten Barroso im Europaparlament schreibt das HANDELSBLATT:

"Barroso hat seine Lektion gelernt: Die Abgeordneten haben ihm die Grenzen seiner Macht gezeigt. Er beginnt nach seinem Fehlstart geschwächt. Auch bei den Regierungen hat er an Ansehen eingebüßt. Weil er sehenden Auges in die Krise mit dem Parlament rannte, zweifelt der eine oder andere Regierungschef an seinem politischen Format. Bereits angeschlagen, wird der Portugiese es sehr schwer haben."

Die STUTTGARTER ZEITUNG spricht von einer Warnung für Barroso. Weiter heißt es:

"Der Fehlstart in Straßburg hat ihm schmerzhaft klar gemacht, welche Gefahren und Fußangeln im europäischen Politik-Dschungel auf ihn warten. Dabei ging es Barrosos lediglich wie vielen Bürgern zwischen Porto und Reval: Sie starren auf die Macht der Regierungen und unterschätzen das Parlament. Barroso und seine Kommissare werden nach dem Straßburger Schuss vor den Bug begriffen haben, dass sie immer mehr in die Klemme kommen, je weiter die Demokratisierung und die Parlamentarisierung der EU fortschreiten."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befürchtet eine mögliche Blockadehaltung in der Europapolitik. Das Blatt meint:

"Der Vorfall, der nun fast geräuschlos beigelegt wurde, hat ... gezeigt, wie schnell die neue Machtverteilung zwischen den Institutionen Ministerrat, Parlament und Kommission zur Blockade führen kann. ... Das Parlament sollte es mit der Brüskierung einzelner Regierungen beziehungsweise ihrer Kandidaten indessen nicht zu weit treiben. Denn das organisierte Europa wird nur funktionieren, wenn die Nationalstaaten ihre Gemeinschaftsverpflichtungen honorieren, die Union im Gegenzug aber auch im nationalen Rahmen zu treffende Entscheidungen respektiert ... ."

Dagegen kommentiert die OSTTHÜRINGISCHE ZEITUNG aus Gera:

"Das Parlament hat im Dauerkampf um mehr Einfluss in der Europapolitik den vielleicht wichtigsten Etappensieg bereits vor knapp drei Wochen errungen. Das oft unterschätzte Europaparlament hat sich im komplizierten internen Verhältnis des EU-Apparats nun schlagartig als Machtfaktor etabliert. Diesen demokratischen Erfolg wollte gestern kein Volksvertreter zur blinden Blockadepolitik verkommen lassen."

Themenwechsel. Zum Prozess gegen den früheren Frankfurter Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner meint das HAMBURGER ABENDBLATT:

"In einer verzweifelten Situation, in der niemand stecken möchte, war Daschner bereit, einem kaltblütigen Mörder 'Schmerzen zuzufügen' - um ein junges Menschenleben zu retten. ... In Deutschland reicht allein die Bereitschaft dazu jedoch für eine Anklage vor Gericht. Und das ist -- trotz aller Sympathie für die ehrenwerten Motive Daschners -- richtig so."

Ähnlich sieht es die FREIE PRESSE aus Chemnitz:

"Folter, und sei es auch nur deren Androhung, sind nun einmal nicht erlaubt. Unter keinerlei Umständen, ohne jede Ausnahme. Alles andere wäre mit dem Ende des Rechtsstaates verbunden. Auch wer dafür plädiert, doch nur ein bisschen Gewalt zuzulassen, muss sich darüber im klaren sein, dass dies einem Dammbruch gleich käme. Denn wo bitte schön soll die Folter sozusagen für den 'guten Zweck' beginnen, und wo deren Grenzen gezogen werden?"

Zum Schluss noch die Zeitung DIE WELT, die sich nachdenklicher zeigt:

"Ein exzeptioneller Fall also, aus dem sich wenig lernen läßt, wahrscheinlich nicht viel mehr als dies: daß derjenige, der sich auf einen übergesetzlichen Notstand beruft, dafür auch geradestehen muß. ... Für das, was da geschehen ist, gibt es keine Gesetze, kann es und soll es keine geben. So etwas läßt sich nicht genehmigen, nur riskieren. Wer sich zu einem solchen Risiko bereit findet, verdient weder Vorwürfe noch Strafe, sondern Anerkennung. Was wir brauchen, ist das Verfahren, nicht unbedingt ein Urteil, eine Strafe schon gar nicht. Und ganz gewiß keine Grundsatzdebatte über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Folter. Sie ist verboten und soll verboten bleiben."